3. November 2010
Otto Brenner Preis: Festrede von Franziska Augstein
Wissen Journalisten noch, was sie tun?
Journalisten wissen nicht, was sie tun. Und die Öffentlichkeit weiß es auch nicht. Im Rahmen ihrer Festrede beim Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus, hat Franziska Augstein beschrieben, woran der Journalismus dieser Tage krankt.

Beim Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus zeichnet die Otto Brenner Stiftung jedes Jahr Journalisten für besonders gute und kritische Arbeiten aus. Story, Recherche, Einsatz und Umsetzung müssen stimmen. Und die Arbeiten müssen qualitativ hochwertig sein. Das erfordert Einsatz von den Bewerbern.

Qualitätsverfall
Weder die Qualitäten, noch den entsprechenden Einsatz – oder auch einfach nur die Möglichkeit dazu – erkennt Dr. Franziska Augstein von der „Süddeutschen Zeitung“ im Gros der journalistischen Berichterstattung derzeit. Das hat sie in ihrer Festrede „Die Journaille – Von der Schwierigkeit, sich eine Meinung zu bilden“ bei der Verleihung des Otto Brenner Preises am 2. November 2010 in Berlin deutlich gemacht.

Die vergangenen Monate waren demnach keine Glanzzeit des Journalismus. Sie zeugten viel eher von der Neigung der Profession, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Die Journalisten wüssten häufig nicht mehr, was sie tun. Und die von ihnen „informierte“ Öffentlichkeit folglich auch nicht.

Personalisierung
Besonders auffällig erscheint Augstein dabei die überbordende Personalisierung in den Medien. Was eigentlich als Stilmittel gedacht ist und natürlich auch Relevanz schafft, wird zunehmend pervertiert. Der Sarrazin-Hype ist sozusagen ein Auswuchs dieser Pervertierung. Die Berichterstattung hat sich relativ schnell auf die Person Thilo Sarrazin beschränkt – den „Sündenbock“, der unangenehme Wahrheiten ausspreche. Nur wenige Journalisten, so Augstein, machten sich die Mühe, die Hintergründe und Strukturen der Debatte kritisch zu beleuchten. Ein weiteres Problem, das Augstein hier sieht: Die Journalisten trauen sich kein eigenes Urteil mehr zu. Statt dessen schöben sie je nach Bedarf Meinungsumfragen vor, um ihre Thesen zu untermauern.

Ein weiteres Beispiel der zunehmenden Personalisierung: Der Hype um das Ehepaar zu Guttenberg. Schon kurz nach dem Amtsantritt Karl-Theodor zu Guttenbergs frohlockte bereits die „Welt“, der Freiherr könne „das Bürgerliche vom Stigma es Spießigen“ befreien. Mit Blick auf die eigentlichen Aufgaben eines Mitglieds der Bundesregierung warf Augstein die Frage auf: „Brauchen wir einen Wirtschafts- oder Verteidigungsminister, der das Bürgerliche vom Stigma des Spießigen befreit?“

Wohin führt uns das?
Ihre Analyse: In der Berichterstattung um zu Guttenberg komme es nur noch auf die Darstellung, nicht mehr auf die innere Substanz an. Die Journalistin sieht in der oberflächlichen Auseinandersetzung mit Personen und Positionen eine nicht ungefährliche Tendenz: „Wer heute Adelige lobt, weil sie schick aussehen und sich zu benehmen wissen, berichtet übermorgen, dass die Deutschen einen ‚starken Mann‘ wollen.“

zur Festrede von Franziska Augstein auf der OBS-Preisverleihung


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