19. Februar 2013
Ressourceneffizienz bei Stahl
Energiesparen ist kein Lippenbekenntnis
Kaum eine Branche ist so prädestiniert für das Einsparen von Rohstoffen und Energie wie die Stahlbranche. Dabei geht es nicht nur um die Verringerung der Produktionskosten, sondern auch um das Image der energieintensiven Branche, die sich seit langem schon von der „Dreckschleuder“ zu einer ...

... High-Tech-Industrie gewandelt hat.

Stahl ist der mit Abstand am häufigsten verwendete industrielle Werkstoff. Ob als Rasierklinge oder Radfelge: Ohne Stahl läuft nichts auf der Welt. Für den Industriestandort Deutschland ist Stahl als Schlüsselbranche von besonderer Bedeutung. 35 Prozent der industriellen Wertschöpfung sind vom Stahl abhängig.
Die Einsparpotenziale an Energie und Material sind gewaltig. Energie- und Materialkosten für Eisenerz, Koks und Kokskohle, Schrott und Legierungsmittel machen bei warm gewalztem Stahl rund 80 Prozent. „In den letzten Jahren ist massiv investiert worden, um die Ressourceneffizienz der Stahlunternehmen zu verbessern“, sagt Bernd Lauenroth vom IG Metall-Stahlbüro in Düsseldorf. „Aber da ist noch viel Luft nach oben.“

Exzellente Technik

In Deutschland werden jährlich etwa 50 Millionen Tonnen Rohstahl hergestellt, die zu 2000 verschiedenen Stahlsorten weiterverarbeitet werden. „Deutsche Hochöfen sind dank exzellenter Verfahrenstechnik weltweit führend in der Sparsamkeit“, erklärte Jens Traupe, der bei der Salzgitter AG den Bereich Umweltschutz und Energiepolitik verantwortet. „In den vergangenen 50 Jahren sind enorme Effizienzsteigerungen erzielt worden.“ Grund ist zum einen die exzellente Verfahrenstechnik. Hier profitiert Deutschland von der engen Verzahnung von Forschung und Produktion. Zum anderen hat der Einsatz von Schrott bei der Rohstahlerzeugung enorm zugenommen.

Inzwischen setzt sich die Erkenntnis durch, dass der Baustoff Stahl ein hohes Nachhaltigkeitspotenzial besitzt. „Man kann Stahl praktisch unendlich recyceln, das macht ihn auch deutlich günstiger als Aluminium“, sagt Lauenroth. Der ewige Kreislauf der Wiederverwendung, auch „Cradle to Cradle“-Konzept genannt, macht Stahl zu einem regenerativen Baustoff par excellence. Das Stahlrecycling ermöglicht eine nachhaltige Verwertung von ausgedienten Alltagsgegenständen, Stahl landet nicht auf Deponien.


Betriebsrat redet mit

Beim Stahlerzeuger Georgsmarienhütte wird seit etwa vier Jahren das Thema Ressourceneffizienz groß geschrieben. Eine handfestes Beispiel ist die Dampfauskopplung. Das heißt, die Energie, die bei der Kühlung der Abgase entsteht, verpufft nicht mehr wie früher in die Umwelt. Sie wird stattdessen bei der Weiterbearbeitung der Stähle in der sogenannten Sekundärmetallurgie eingesetzt.

Erstmalig in der Stahlbranche haben bei Georgsmarienhütte Geschäftsleitung und Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, bei der die Gewinnbeteiligung für die Belegschaft an die Erfolge beim Emnergiesparen gekoppelt ist. Ab 2013 schlägt sich eine bessere Energiebilanz in einer höheren Ausschüttung an die Beschäftigten nieder. „Der sorgsame Umgang mit Ressourcen ist für uns kein Lippenbekenntnis“, sagt der Arbeitsdirektor von Georgsmarienhütte, Felix Osterheider. „Unsere Belegschaft ist schon lange für Energiefragen sensibilisiert, Mehr als zwei Drittel der Mitarbeiter haben eine Energieschulung absolviert.“ Im Rahmen des Ideenmanagements sucht die Georgsmarienhütte nach weiteren Ideen zur Energieeinsparung.

Für ihr umfassendes Energiemanagement ist die Georgsmarienhütte seit 2010 zertifiziert. Der Energieverbrauch wird für jeden Betrieb und jede Abteilung erfasst und einer Kostenstelle zugeordnet. So lassen sich Einsparpotenziale genau ermitteln. Das Unternehmen spart damit nicht nur Energiekosten. Die Zertifizierung ist auch die Grundlage, um über die Härtefallregel des Erneuerbaren-Energie-Gesetzes (EEG) Rückerstattungen zu erhalten.

Windräder auf dem Werksgelände


Bei der Salzgitter AG wurde 2011 das Projekt „Nachhaltige Enerieeffizienz im Konzern“ aufgelegt. Bei der genauen Analyse des Produktionsprozesses wurde zum Beispiel festgestellt, dass es noch Abdampfmengen an Wärmeöfen gibt, die zur Eigenstromerzeugung genutzt werden können. Nun durchforsten Projektteams weitere Bereiche des Unternehmens wie Hochofen, Stahlwerk und Warmwalzwerk nach Möglichkeiten, die Energiebilanz zu verbessern. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch der Beschluss, auf dem Kerngelände der Salzgitter AG Windräder zur Stromgewinnung aufzustellen. Die gewonnene Windenergie soll in die Stahlproduktion miteinfließen.

Innovation ist das A und O


Die Stahlbranche hat die Zeichen der Zeit erkannt. Es geht nicht nur um den Schutz der Umwelt, sondern auch um den Erhalt der Arbeitsplätze. Vor allem der Faktor Energie wird über die Zukunft der Hütten entscheiden. Außerdem geht es bei der Ressourceneffizienz darum, Produkte und Verfahren kontinuierlich zu verbessern. Innovative Stähle, wie sie beispielsweise in Windkraftwerken oder zur Gewichtsreduktion von Autos eingesetzt werden, sparen sechsmal soviel Kohlendioxid ein, wie ihre Produktion verursacht.

„Energieeffizienz ist eine Schlüsseltechnologie, deren Potenziale bisher noch zu wenig genutzt werden“, erklärt der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Detlef Wetzel. „Auch im Stahlbereich müssen die Unternehmen ihre Hausaufgaben machen. Bisher sind sie noch recht zögerlich, obwohl es viele Möglichkeiten zur Reduzierung der Energiekosten und damit zur Stärkung des Stahlstandortes gibt. Was wir brauchen ist eine Energieeffizienzanalyse mit dem Ziel der Ressourcenschonung und Optimierung der Energieverbräuche.“


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