Jürgen Kerner: Sie ist von immenser strategischer Bedeutung für Wissenschaft, Technologie und Industrie am Standort Deutschland. Es gibt mit EADS einen großen europäischen Systemhersteller, der neben dem Airbus Hubschrauber, Satellitensysteme, Verteidigungs- und Sicherheitssysteme fertigt. Daneben gibt es Triebwerkshersteller und eine größere Zahl von mittleren und kleineren Firmen bei Herstellern, Zulieferern und Entwicklungsdienstleistern. Über 95 000 Menschen sind hierzulande in der Branche direkt beschäftigt. Mindestens doppelt so viele Arbeitsplätze hängen indirekt in den vor- und nachgelagerten Bereichen von der Luft- und Raumfahrtindustrie ab.
Leider nein. Da gibt es eine Reihe von Versäumnissen in der Vergangenheit. Die Struktur der ganzen Industrie hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert. Die Fertigungstiefe ist in den letzten Jahren in den deutschen Werken erheblich gesenkt worden. Lohnintensive Montage und die Produktion einfacher Komponenten werden in Billiglohnländer verlagert. Auch Engineering- und Fertigungspakete werden zunehmend international vergeben. Deutsche kleine und mittlere Unternehmen haben das Nachsehen.
Die IG Metall sieht die Risiken dieses Strukturwandels und fordert, die berechtigten Interessen an langfristiger Sicherheit von Arbeitsplätzen und Beschäftigung sowie an guter Arbeit angemessen zu respektieren. Die IG Metall hat jetzt ein konkretes Konzept für die Luft- und Raumfahrtindustrie vorgelegt. Wir fordern die Politik und Unternehmen auf, das Notwendige dafür zu tun, dass diese Branche am Standort Deutschland weiterhin eine Zukunft hat und die vorhandenen Potenziale ausschöpft.
Die Luft- und Raumfahrtindustrie braucht eine aktive Flankierung durch die Politik und verlässliche Partner. Nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene. Die Luft- und Raumfahrtindustrie ist Teil eines zukünftigen Mobilitätssystems, das nicht an Landesgrenzen halt macht.
Das heißt, dass „Billiger-Strategien“ für die Luft- und Raumfahrtindustrie nicht zukunftsweisend sind. Nicht Maschinen und Programme sind entscheidend für nachhaltigen Erfolg auf dem Gebiet der Hochtechnologie, sondern das Wissen und Können der Beschäftigten. Ihr exzellentes Fachwissen ist das Pfund, mit dem die Unternehmen wuchern müssen.
Der absehbare Fachkräftemangel kann zu einem gravierenden Entwicklungshemmnis werden. Zudem werden die Belegschaften älter. Die Arbeitsbelastung hat in vielen Bereichen besorgniserregend zugenommen. Stress- und Burnout-Symptome sind ein reales Problem geworden. Besondere Anstrengungen der Unternehmen, diesen Herausforderungen zu begegnen, sind nicht zu erkennen.
Wir als Gewerkschaft haben eine Branchenanalyse auf den Weg gebracht. Durch unsere gute Vernetzung in den Betrieben tragen wir verlässliche Daten zusammen, auf deren Grundlage wir einen industriepolitischen Dialog initiieren. Hier sollen Betriebsräte und IG Metall eine aktive Rolle spielen und mit Wissenschaft, Politik und Unternehmen die Rahmenbedingungen für den langfristigen Erhalt der Arbeitsplätze entwickeln.
Um die Arbeitsplätze in einer europäisch aufgestellten Branche zu erhalten, müssen wir die Wertschöpfungsketten sichern. Das heißt, dass nicht nur die Endmontage und das Engineering hierzulande stattfindet, sondern dass auch die Herstellung der Komponenten und die Teilezulieferung in Deutschland bleiben.
Die schwierige Lage der öffentlichen Haushalte und die angekündigten Reduzierungspläne der Bundeswehr stellen den militärischen Flugzeugbau in der Tat vor große Herausforderungen. Wir brauchen Planungssicherheit bei der Vergabepolitik der öffentlichen Hand und die notwendige Förderung von Grundlagenforschung. Die Branche braucht eine stabile Finanzierung, die nicht nur für die Systemhersteller, sondern auch für die Zulieferer gewährleistet sein muss.
Es gibt da einige gute Ansätze, an denen man weiter arbeiten muss. Die Einführung umweltfreundlicher Technologien etwa in neue Flugzeuggenerationen muss beschleunigt werden. Denn an der Umweltfreundlichkeit wird die Wettbewerbsfähigkeit der Produkte in Zukunft gemessen werden.
Es gilt das Wissen und die Wertschöpfungsketten zu erhalten. Für den Industriestandort Deutschland reicht es nicht aus, nur zu forschen. Die Unternehmen müssen in ihre Beschäftigten investieren. Eine Innovationskultur, die technologisch erstklassige Produkte hervorbringt, fällt nicht vom Himmel. Die Standorte brauchen langfristig angelegte Entwicklungskonzepte, an deren Erarbeitung auch die Beschäftigten und Betriebsräte qualifiziert beteilgt werden müssen.