21. März 2018
Trumps Strafzölle
Fair handeln statt abschotten
Der amerikanische Präsident Trump will Zölle auf Stahl und Aluminium einführen. Er gibt vor, damit die heimische Stahlindustrie und ihre Beschäftigten zu schützen. Wirtschaftsexperten warnen davor, dass ein Rückzug hinter Zollschranken auch Beschäftigten langfristig mehr schadet als nützt.

Dennoch glauben Menschen – nicht nur in Amerika – lieber den Versprechen der Populisten. Globalisierung und Digitalisierung haben sie verunsichert. Um ihnen wieder Sicherheit zu geben, müssen die Staaten ihre Handelspolitik überdenken und nicht länger den Gewinnen der Unternehmen Vorrang einräumen vor dem Recht auf gute Arbeit und ein selbstbestimmtes Leben.

Betriebsrat Tekin Nasikkol kennt die Sorgen und Nöte seiner amerikanischen Stahlkollegen. Er war in den USA, hat mit ihnen gesprochen. „Sie denken an ihre Familien, genau wie wir. Sie leiden unter jahrzehntelangem Missmanagement. Manager haben es versäumt, in neue Technologien zu investieren“, sagt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende von Thyssen-Krupp in Duisburg. Er kann sie verstehen, aber er glaubt nicht, dass populistische Politik hilft.

Der amerikanische Präsident Donald Trump will die heimische Wirtschaft abschotten und Zölle auf Stahl und Aluminium einführen. Angekündigt hat er Abgaben von 25 Prozent auf Stahl- und 10 Prozent auf Aluminiumimporte. Setzt Trump seine Ankündigung um, könnte ein weltweiter Handelsstreit ausbrechen. Vor dessen Folgen warnt der Erste Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann: „Das Vorgehen der USA verstößt gegen die Regeln der Welthandelsorganisation und gefährdet Beschäftigung – nicht nur in Deutschland. In einem Handelskrieg gibt es keine Gewinner.“


Langfristige Folgen

Der deutsche Stahlhersteller Thyssen-Krupp sieht sich bislang zwar nur indirekt von den Zöllen betroffen, da er auf dem amerikanischen Markt nur gering engagiert sei.

Abzuwarten bleiben allerdings die indirekten Auswirkungen. Wenn der US-Markt sich abschottet, könnten sich Stahlproduzenten aus anderen Ländern andere Absatzmärkte suchen. Ähnlich schätzt Peter Camin, Betriebsratsvorsitzender von Hydro-Aluminium in Hamburg, die Lage ein. Die deutschen Aluminiumhersteller liefern wenig in die USA und vor allem hochspezialisierte Produkte etwa für Tesla oder Boeing-Flugzeuge in Seattle. Auch Peter Camin fürchtet eher langfristige Folgen: „Trumps Aktion könnte dazu führen, dass die Chinesen die europäischen Märkte noch mehr überschwemmen, als sie das ohnehin schon tun.“

Die IG Metall setzt sich für einen freien, aber auch fairen Welthandel ein, betont Hofmann. „Dazu gehören weder protektionistische Maßnahmen noch Dumpingexporte.“ Mit Zöllen auf alle Stahl- und Aluminiumimporte treffe Trump alle Hersteller, unabhängig davon, ob sie sich an Wettbewerbsregeln halten. „Es ist aber ein Unterschied, ob Stahlproduzenten mit hochwertigen Produkten oder mit Dumpingpreisen und schlechten Arbeitsbedingungen auf dem internationalen Markt konkurrieren“, sagt Hofmann.


Rückzug hinter Zollschranken schadet den Beschäftigten

Wirtschaftsexperten warnen davor, dass ein Rückzug hinter Zollschranken auch den Beschäftigten langfristig mehr schadet als nützt. Der Chef der regionalen Notenbank von New York, William Dudley, sagte: „Handelsbarrieren sind ein sehr teurer Weg.“ Es gibt kaum Produkte, die nur in einem Land hergestellt werden. Wer die Verbindungen zwischen den Ländern kappt, riskiert deshalb mittel- bis langfristig Jobs.

Dennoch glauben Menschen – nicht nur in Amerika – den Versprechen der Populisten, sie durch Mauern aus Zöllen vor den Folgen der Globalisierung zu schützen. Die liberale Politik hat ihre Versprechen nicht eingehalten. Die unteren Einkommen stagnieren in den USA seit Jahrzehnten. Menschen mit solchen Einkommen sind die Verlierer der deregulierten Märkte und des freien Handels.


Gewinne werden privatisiert, Kosten der Gesellschaft aufgebürdet

In Deutschland sind die Einkommen der Beschäftigten zwar gestiegen, aber nicht so stark wie die Einkommen aus Gewinnen und Vermögen. Dadurch ist der Anteil der Löhne am Volkseinkommen gesunken. Sabine Stephan vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) kritisiert das Ungleichgewicht zwischen Verlieren und Gewinnern der Globalisierung: „Die Globalisierung führt unterm Strich zwar zu Wohlfahrtsgewinnen, die aber in der Praxis sehr ungleich verteilt sind. Während die Gewinne privatisiert werden, werden die Kosten etwa für Regionen, die im globalen Wettbewerb abgehängt wurden, und Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, dem Staat und der Gesellschaft aufgebürdet.“


Furcht vor sozialem Abstieg

Was die Menschen von der Globalisierung spüren, ist vor allem wachsender Leistungsdruck. Beschäftigte stehen selbst im internationalen Wettbewerb und rennen am Arbeitsplatz ständig um die Wette mit Beschäftigten im eigenen Unternehmen oder der Konkurrenz rund um den Globus. Niemand ist sich mehr sicher, ob nicht irgendwo auf der Welt gerade eine neue Idee geboren wird, die die eigene Arbeitskraft schon morgen überflüssig macht. Sie haben das Gefühl, den gesellschaftlichen Veränderungen durch Digitalisierung oder Globalisierung ausgeliefert zu sein und die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren. „Populisten haben ein feines Gespür für diese Ängste und sie senden den Menschen, die diesen Kontrollverlust erleben, das Signal, dass man der Globalisierung nicht ausgeliefert ist, sondern dass man etwas dagegen tun kann, zum Beispiel indem man sich abschottet“, sagt Sabine Stephan.

Sie treffen damit den Nerv vieler Menschen. Denn die Angst vor Abstieg greift um sich wie eine neue Studie der Soziologin Bettina Kohlrausch von der Universität Paderborn zeigt. Den sozialen Abstieg fürchten längst nicht mehr nur Menschen mit geringem Einkommen. Die Furcht hat sich bis weit in die Mittel- und sogar die Oberschicht ausgebreitet. Selbst Beschäftigte, die ihre Jobs für sicher halten, sorgen sich um ihren künftigen Lebensstandard oder ihr Auskommen im Alter. Mehr als 80 Prozent der Geringverdiener teilen diese Sorge. Bei den Topverdienern sind es immerhin 40 Prozent.


Vorfahrt für gute Arbeit

In dem Streit, den Trump mit seiner Ankündigung losgetreten hat, sieht Sabine Stephan vom IMK aber auch eine Chance: „Es kann ein Weckruf an die Weltgemeinschaft sein, ihre Handelspolitik zu überdenken.“ Dazu müssten sich die Staaten fragen, was das oberste Ziel ihrer Handelspolitik sein soll: gute Arbeitsbedingungen für alle, Umwelt- und Klimaschutz oder Vorfahrt für Unternehmen und ihre Gewinne? Bislang habe jedenfalls letzteres vorgeherrscht.

Auch Stephan Ahr, Betriebsratsvorsitzender von Saarstahl in Völklingen, plädiert für faire Regeln, um den Menschen die Angst vor der Globalisierung zu nehmen. Er macht sich Sorgen, weil sein Werk Vorprodukte für die amerikanische Autoindustrie liefert. „Der globale Wettbewerb wird zu stark durch Dumping verzerrt: auf Kosten der Beschäftigten, der Umwelt oder der Steuereinnahmen, die den Staaten fehlen, um gute Politik für ihre Bürgerinnen und Bürger zu machen.“

Im Wettbewerb der Standorte unterbieten sich Staaten seit Jahrzehnten weltweit bei den Unternehmenssteuern. Global gingen sie zwischen 1990 und 2016 um knapp 28 Prozent zurück, in Europa sogar um gut 35 Prozent. Damit berauben sich die Staaten selbst der Mittel, die sie dringend brauchen, um die Folgen der Globalisierung abzufedern. Es fehlt Geld, um Regionen zu entwickeln, die im globalen Standortwettbewerb den Kürzeren gezogen haben. Geld, um in den Ausbau und die Erneuerung der Infrastruktur zu investieren, in Schulen und Bildung. Nicht zuletzt die Möglichkeit, den Menschen ein grundlegendes Maß an sozialer Sicherheit zu bieten. Dazu gehören für die IG Metall Renten, von denen man anständig leben kann, Schutz vor Befristung, faire Bildungschancen.


Gegen Ausbeutung

Thyssen-Krupp-Betriebsrat Tekin Nasikkol ist überzeugt, dass vom freien Welthandel alle profitieren, wenn Länder in Forschung und Entwicklung, in umweltfreundliche Produkte und Verfahren und in die Qualifizierung der Beschäftigten investieren. „Wir in der deutschen Stahlindustrie sind auch für Schutzzölle, aber nicht um uns vor dem freien Wettbewerb zu schützen, sondern vor unsauberem und unfairem Handel.“ Die deutschen Stahlwerke haben viel in Umweltschutz investiert und weltweit die niedrigsten CO?-Werte. Sie bieten gute Löhne und gesunde Arbeitsbedingungen. „Gegen Wettbewerbsvorteile, die auf Ausbeutung von Menschen und zulasten der Umwelt gehen“, sagt Betriebsrat Tekin Nasikkol, „müssen wir uns wehren.“

Das tut die IG Metall unter anderem mit internationaler Gewerkschaftsarbeit. Beispiel Ungarn: Audi, Daimler und Opel betreiben dort große Werke, Autozulieferer wie Schaeffler ziehen hinterher. Angelockt werden sie von niedrigen Löhnen, aber auch von einem Arbeitsrecht, das Beschäftigten wenig Schutz bietet. 12-Stunden-Schichten sind dort Alltag. Die IG Metall hat schon vor Jahren eine Kooperation mit der ungarischen Metallgewerkschaft Vasas gestartet. Ziel: gemeinsam die Arbeitsbedingungen in Ungarn verbessern und so auch den Druck auf die deutschen Standorte reduzieren.

Die Erfolge sind sichtbar: 2017 hat die Vasas im Daimler-Werk Kecskemét ein Lohnplus von 26 Prozent durchgesetzt. Auch Tarifverträge und Tarifbindung sind Bausteine der Gewerkschaften, um der grassierenden allgemeinen Verunsicherung etwas entgegenzusetzen. Beispiel Metall-Tarifabschluss: Mit dem neuen Tarifvertrag erhalten Beschäftigte deutlich mehr Macht über die eigene Lebenszeit.


Wir können gestalten

Den Ersten Vorsitzenden der IG Metall, Jörg Hofmann, treibt die verbreitete Unsicherheit vieler Menschen um. Sie ist ein Nährboden für Vorurteile, Spaltung und Konflikte in Betrieben und im ganzen Land. „Die Menschen spüren, dass Globalisierung viele alte Gewissheiten ins Wanken bringen. Die Antwort der Gewerkschaften muss daher lauten: Wir sind diesen Entwicklungen nicht ausgeliefert, aber wir können sie durch faire Handelsabkommen und weltweite Normen für Mindeststandards guter Arbeit gestalten.“


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