10. Juni 2011
Interview mit Dirk Seifert von Robin Wood
Öko – klar, aber sozial gerecht
Gewerkschafter und Umweltgruppen sind sich nicht immer grün. Bisher. Aber es lohnt sich, aufeinander zuzugehen, sagt Dirk Seifert von Robin Wood.

Seit letztem Jahr gab es immer wieder gemeinsame Aktionen von Umweltverbänden wie Euch und IG Metall. Wie kam es dazu?
Dirk Seifert: Als wir anlässlich des Tschernobyl-Jahrestags 2010 und der damals von der Regierung geplanten AKW-Laufzeitverlängerung eine 120 Kilometer lange Menschenkette planten, haben wir Kontakt zur IG Metall Unterelbe aufgenommen. Das Ergebnis war, dass Metaller sich sehr engagiert und viel zur Menschenkette beigesteuert haben. Nachdem der Kontakt da war, kamen wir auch über andere Themen ins Gespräch. Auch mit dem IG Metall- Bezirk Küste und dem Vorstand.

Und freut Euch das?
Natürlich freuen wir uns, wenn sich Umweltverbände und eine große Organisation mit mehr als zwei Millionen Mitgliedern einander annähern.

Was verbindet Gewerkschafter und Ökofreaks?
Das gemeinsame Interesse an einer lebenswerten Umwelt. Wenn VWler in Salzgitter umweltfreundliche Mini-Heizkraftwerke entwickeln, zeigt das, dass sich auch Metall-Beschäftigte für die Umwelt engagieren wollen. Mir gefällt die Losung der IG Metall „Gemeinsam für ein gutes Leben“. In ihr steckt die Vorstellung von einer gesunden, nachhaltigen Umwelt, die aber auch nach den sozialen Bedingungen und den Mitspracherechten der Menschen fragt. Gewerkschaften und Umweltverbände verbindet auch der Wille und die Fähigkeit, Kampagnen für ihre Ziele zu führen. Wie bei den Gewerkschaften etwa die Clean Clothes Campaign für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in Textilbetrieben der Entwicklungsländer.

Vor 20 Jahren rief die IGMetall die Kampagne »Tatort Betrieb« ins Leben, um umwelt- und gesundheitsschädliche Stoffe aus der Produktion zu verdammen.

In giftigen Arbeitsstoffen in der Produktion sehe ich auch ein großes Feld, wo sich Metaller und Umweltverbände aufeinander zubewegen können.

Aber konfliktfrei läuft die Zusammenarbeit nicht.
Sicher, es gibt einige Differenzen. Zum Beispiel, dass die IGMetall nicht wie wir für den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie ist. Da die Endlagerfrage ungelöst ist, ist für mich die logische Konsequenz: Sofort abschalten. Der Anteil der Erneuerbaren Energie lässt sich rasant steigern. Jetzt sind schon genug Kapazitäten auf dem Markt, um die 18 Prozent Atomstrom auszugleichen. Wir verstehen auc hnicht, dass die IG Metall weiter auf Kohle-Großkraftwerke setzt, die die Umwelt massiv mit CO2 belasten. Man muss entscheiden, ob man klimapolitisch vorankommen oder schädliche alte Strukturen erhalten will.

Und was soll die IG Metall ihren Mitgliedern sagen, die in den „alten Strukturen“ ihr Geld verdienen und nicht arbeitslos werden wollen?

Die Frage müssen nicht die Umweltverbände beantworten, sondern die Gewerkschaften. Aber wir finden, sie sollten nicht an einer falschen Umweltpolitik festhalten, weil Arbeitsplätze daranhängen, sondern neue Perspektiven aufzeigen. Im übrigen werden die AKW-Beschäftigten nicht gleich entlassen. Sie sind noch zehn Jahre mit dem Rückbau beschäftigt – mindestens. Und in der Erneuerbaren-Energie-Branche arbeiten schon jetzt bald 400 000 Menschen. Hier sind noch Riesenpotenziale. Zum Beispiel im Bau von Windkraftanlagen.

Mit der Windenergiebranche hat die IG Metall jede Menge Probleme. Gerade in den Ökobranchen sind die Strukturen oft von vorgestern: Schlechte Löhne und Arbeitsbedingungen, keine Mitsprache. Was uns nervt: Umweltverbände scheinen auf dem sozialen Auge oft blind zu sein.
Die Kritik ist berechtigt. Wir Umweltverbände müssen daran arbeiten, dass wir auch mehr soziale Verantwortung übernehmen und Forderungen an die Ökobetriebe stellen. Wir können uns bei ihnen auch öffentlichkeitswirksam Gehör verschaffen, schließlich verdanken sie der Umwelt- und Anti-AKW-Bewegung ihren Erfolg. Beim Aufruf zum Tschernobyl-Jahrestag 2011 haben wir soziale Forderungen schon ausdrücklich unterstützt. Das war ein erstes positives Zwischenergebnis der bisherigen Diskussion mit Metallern.

Welche Forderungenwaren das?
Dass derAusstieg aus der Atomenergie sozialverträglich geschehen muss, ohne soziale Verschlechterungen und Entlassungen. Und dass bei den Branchen der Erneuerbaren Energien die Arbeitsbedingungen sozial, gesund und umweltfreundlich sein müssen, die Tarifstandards eingehalten und die Mitbestimmungsrechte der Belegschaften beachtet werden. Das Ziel muss sein: Ökostrom – na klar, aber sozial gerecht. Dabei wird es noch eine spannende Diskussion mit der IG Metall werden, was sozial gerecht ist. Das Ergebnis könnte sein, dass wir Betriebe nicht mehr empfehlen, die versuchen, die Gewerkschaften herauszuhalten und Mitbestimmung zu verhindern.

Wie könnte die Zusammenarbeit weitergehen?
Jeder kann durch sein eigenes Verhalten zur ökologischen Energiewende beitragen. Ich könnte mir zum Beispiel eine gemeinsame Kampagne »Umsteigen auf Ökostrom« vorstellen.


Erneuerbare Energie bringt Arbeitsplätze

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