5. Februar 2014
Wolfgang Lemb zur Energiepolitik
Den Beschäftigten eine Stimme geben
Die Europäische Kommission mischt immer mehr in der Wirtschaftspolitik der Länder mit. Jetzt hat sie die Ausnahmen für Industriebetriebe bei den Kosten für Ökostrom im Visier. In Europa werden die Weichen für Umwelt, Klimawandel und Arbeitsplätze gestellt.

Die IG Metall will künftig mehr mitreden, sagt Wolfgang Lemb, im IG Metall-Vorstand für Europapolitik zuständig.

Du hast dich mit Europaabgeordneten in Brüssel getroffen. Was war da los?
Wolfgang Lemb: Die IG Metall hat ― übrigens schon zum zweiten Mal ― zum „Industriepolitischen Frühstück“ eingeladen. Gekommen sind zehn Abgeordnete und Michael Hager, der Kabinettschef des EU-Kommissars für Energiepolitik Günther Oettinger. Solche Gespräche wollen wir künftig regelmäßig führen...

... um den Lobbyisten auf Arbeitgeberseite etwas entgegenzusetzen?
Das natürlich auch. Wobei unsere Präsenz in Brüssel mit dem bisherigen Format des „Industriepolitischen Frühstück“ und weiteren bilateralen Kontakten sehr bescheiden ist im Vergleich zu dem, was Arbeitgeberverbände wie BDA und BDI dort aufbieten. Das wollen wir ändern. Deshalb richten wir derzeit ein „Brüsseler Büro der IG Metall“ ein.
Wir müssen uns auch darauf einstellen, dass der Takt für die wirtschafts- und sozialpolitische Musik immer mehr in der Europäischen Union vorgegeben wird. Das hat Auswirkungen auf die Beschäftigten und ihre Arbeitsplätze. Es gibt außerdem ein wachsendes Interesse der EU-Parlamentarier an Treffen mit der IG Metall und daran, ihre Positionen zu wichtigen Themen zu erfahren. Das ist erfreulich. Wir werden unsere Argumente stärker als bisher in die Ausschussarbeit einbringen.

Zum Beispiel in der Energiepolitik?
Ja. Darum ging es bei dem Termin vergangene Woche. Wir haben die klimapolitischen Ziele im Rahmen der „Zieltrias“, also Reduzierung der Treibhausgase, Ausbau Erneuerbarer Energien und Steigerung der Energieeffizienz, diskutiert. Vor allem aber ging es um das EEG, das Erneuerbare-Energien-Gesetz.

Um den Streit über die Ausnahmeregelungen für energieintensive Industrien?
Vor allem darum. Die EU-Kommission hat ein Prüfverfahren eingeleitet, weil sie der Auffassung ist, dass der deutsche Staat seinen Unternehmen Wettbewerbsvorteile gegenüber ausländischen Konkurrenten verschafft. Vor allem, weil die schwarz-gelbe Bundesregierung die Ausnahmen stark ausgeweitet hatte. Das hatte zu Kritik in anderen Ländern und in der EU geführt. Wir haben aber auch über die Erneuerbaren Energien gesprochen und deutlich gemacht, dass wir den Ausbau der Erneuerbaren in Europa weiter voran bringen wollen. Auch daran hängen viele Industriearbeitsplätze in Deutschland.

Denkst du, dass die EU die Ausnahmen kippen wird?
Das müssen wir unbedingt verhindern und ich hoffe, dass das jetzt zügig gelingt. Wir brauchen Ausnahmen für Unternehmen, wie Stahlwerke und Aluminiumhütten, die im starken internationalen Wettbewerb stehen. Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Wenn sie die EEG-Umlage voll zahlen müssten, wären sie der Konkurrenz auf den europäischen und globalen Märkten nicht mehr gewachsen und in ihrer Existenz gefährdet. Damit wären in Deutschland zigtausende Arbeitsplätze gefährdet. Eine EEG-Umlage gibt es schließlich nur in Deutschland. Aber die IG Metall hat immer gesagt: Ausnahmen müssen auf die Unternehmen beschränkt werden, die wirklich im harten internationalen Wettbewerb stehen. Es ist jetzt Aufgabe von Bundesumweltminister Siegmar Gabriel, das EEG europarechtskonform zu gestalten.


Entwickelt sich die IG Metall zum Industrielobbyisten, für den Umwelt und Energie zweitrangig sind?
Überhaupt nicht. Für uns sind das keine Gegensätze. Wenn die Weltklimaziele erreicht werden sollen, müsste die EU eigentlich ambitioniertere Ziele setzen. Wir müssen aber beides im Blick behalten: Eine an der Zukunft der Wirtschaft orientierte Industriepolitik geht nicht ohne eine neue Energiepolitik und die Energiewende gelingt nicht, wenn sie nicht industriepolitisch flankiert wird.

Die IG Metall freut sich, dass die Politiker in Berlin und Brüssel Industriepolitik wieder „buchstabieren“ können. Aber was heißt das denn eigentlich?
Eine Reihe europäischer Länder hatte in der Vergangenheit ganz auf den Finanzmarktkapitalismus gesetzt. Nachdem die Finanzkrise sie voll erwischt hatte, besannen sie sich wieder auf die Realwirtschaft, auf die Industrie, zurück. Politiker in der EU und in Deutschland sehen es jetzt endlich als ihre Aufgabe an, Entwicklungen in der Industrie zu begleiten und sie so zu fördern, dass sie gute Zukunftschancen haben. Es ist gut, dass heute in Europa von einer „Revitalisierung der Industrie“ gesprochen wird. Das muss aber ― insbesondere mit Blick auf die Südeuropäischen Länder ― mit konkreten Maßnahmen untersetzt werden. In Deutschland hat die Bundesregierung angekündigt, Industriepolitische Dialoge anzustoßen. Das finde ich gut. Wenn die Gremien, wie etwa die angekündigten Innovationsbündnisse, gebildet sind, werden wir unsere Vorstellungen und Forderungen einbringen.

Da geht es ja dann nicht nur um Dialoge, sondern auch um Geld. Wenn es daran geht, Fördermillionen zu verteilen, gibt es doch bestimmt Krach.
Klar kann es Zoff geben. Die EU hat für 2014 bis 2020 weniger Fördermittel zur Verfügung als bisher. Die Frage, wo die Mittel gezielt für Zukunftsinvestitionen eingesetzt werden, wird nicht leicht zu entscheiden sein. Die Ausgangsbedingungen in den einzelnen Ländern sind sehr unterschiedlich. Es muss geklärt werden, welche Industrien zum Beispiel in Südeuropa gefördert werden sollen? Die nationalen Ziele sind ja auch sehr unterschiedlich. Das zeigt schon das Beispiel Energiepolitik. Während wir auf erneuerbare Energie setzen, will Polen weiter das gefördert sehen, was es hat: Braunkohle. Andere Länder, wie England und Frankreich, setzen unverdrossen auf Atomenergie. Alle unter einen Hut zu bringen und dann auch noch unsere Klimaschutzziele erreichen ― das wird nicht einfach. Auch daran zeigt sich: Wir müssen uns stärker in die europäischen Entscheidungsprozesse in Brüssel einmischen.


Positionen der IG Metall zur Energiewende

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