11. November 2011
Hensoldt Sensors in Ulm
Vereinbarkeit von Leben und Arbeit gestärkt
Suche: Beschäftigte mit hohen Qualifikationen. Biete: umfangreiche Regelungen zu Familie, Pflege und persönlicher Auszeit. So könnte in Zeiten des Fachkräftemangels eine Stellenanzeige für Airbus DS Electronics and Border Security aussehen.

Bis Anfang 2017 sollen die vier Standorte in Ulm, Friedrichshafen, Taufkirchen und Kiel mit fast 3000 Beschäftigten von Airbus Defence and Space abgespalten und in Hensoldt Sensors umbenannt werden. „Im Überleitungsvertrag konnten wir festschreiben, dass unsere kollektiven Vereinbarungen und die Tarifbindung mindestens drei Jahre weitergelten“, sagt Sabine Kimpfler, freigestellte Betriebsrätin in Ulm. „Das ist nicht selbstverständlich, das Betriebsverfassungsgesetz sieht dafür nur ein Jahr vor.“ So bleiben die 2011 und 2012 geschlossenen Betriebsvereinbarungen „Familienförderung und Chancengleichheit“ (für Airbus Defence and Space) sowie „Care for life“ (für den ganzen Airbus-Konzern) weiter bestehen und sollen noch ausgebaut werden. „Die Nachfragen für solche Regelungen kamen damals aus der Belegschaft“, sagt Kimpfler. Etwa zwei Drittel von ihnen sind Ingenieure, die Entwicklung stellt den größten Anteil im Unternehmen. Auch der Arbeitgeber ließ sich überzeugen. Für ihn zählt eine größere Attraktivität auf dem leergefegten Stellenmarkt und ein Anreiz für hochqualifizierte Frauen, nach der Babypause möglichst früh wieder in den Betrieb zurückzukommen. „Wir haben viel Arbeit“, sagt Sabine Kimpfler. In drei Restrukturierungsrunden sind viele Arbeitsplätze weggefallen, 270 allein zwischen 2014 und 2016. „Wir haben viel Knowhow verloren, jetzt wird endlich wieder eingestellt.“

Mit der Gesamtbetriebsvereinbarung „Familienförderung und Chancengleichheit“ gelang es dem Betriebsrat nun, umfangreiche Regelungen festzuschreiben, die den Beschäftigten eine bessere Vereinbarkeit ermöglichen soll. So gibt es jetzt eine betriebliche Elternzeit, mit der die gesetzliche um sechs Monate verlängert werden kann. „Wird die Tätigkeit spätestens zwölf Monate nach Geburt wieder aufgenommen, hat der Beschäftigte Anspruch auf genau den gleichen Arbeitsplatz wie vor der Babypause“, sagt Sabine Kimpfler. Die zukünftige Hensoldt kooperiert mit Kindertagesstätten und stellt Plätze bereit. Die Beschäftigten bleiben bei ruhendem Arbeitsverhältnis der alten Abteilung zugeordnet und haben Anspruch auf das jährliche Mitarbeitergespräch.


Auch persönliche Auszeiten sind möglich

Bei kurzfristig erforderlicher Pflegezeit verlängert Hensoldt die gesetzliche Freistellung von zehn Arbeitstagen um weitere zehn. „Eine ärztliche Bescheinigung genügt hierfür“, sagt Sabine Kimpfler. Bei längerfristiger Pflegezeit gibt der Betrieb sechs Monate Freistellung dazu oder gewährt sie, wenn sich die Feststellung der Pflegestufe verzögert. Werden Kinder krank, zahlt der Betrieb die Differenz zwischen Kinderkrankengeld und Nettoverdienst auf. Und wo das Gesetz eine Freistellung nur bis zum achten Lebensjahr des Kindes vorsieht, gibt es betrieblichen Anspruch bis zum zwölften Lebensjahr.

Auch persönliche Auszeiten sind möglich. Diese sind in der Konzernbetriebsvereinbarung „Care for life“ festgeschrieben. Geregelt ist darin, dass Beschäftigte sich jederzeit zwischen einem und zwölf Monate für beliebige Vorhaben freinehmen können – egal, ob für Weltreise, Sabbatjahr, Pflege oder Hausbau. Das Entgelt wird während Freistellung und Nacharbeitsphase auf 75 Prozent reduziert. Wer einen Monat freinehmen möchte, erhält also vier Monate 75 Prozent des Entgelts. „Damit die Beschäftigten den Kontakt nicht verlieren“, sagt Kimpfler, „können sie sich für Vertretungen oder Projektarbeiten melden.“ Auch an der internen Weiterbildung können sie teilnehmen.

Zum Ausbau der bestehenden Regelungen kann sich der Betriebsrat noch vieles vorstellen: etwa eine Aufzahlung des Arbeitgebers auch auf das Pflegeunterstützungsgeld oder weitere flexible Arbeitszeitregelungen in Form von Teilzeit- und Jobsharingmodellen. „Wir möchten all diese Angebote aber nicht nur auf dem Papier stehen haben, sondern sie aktiv leben“, das ist Sabine Kimpfler wichtig. Wesentlich sei dafür auch die Information und Schulung der Führungskräfte. „Das erleichtert die Abläufe erheblich.“ Unter den Beschäftigten hat sich indes schon „gut herumgesprochen“, was alles möglich ist. Hensoldt sei beispielsweise zum „Vorzeigebetrieb“ in Sachen Elternzeit von Vätern geworden: 90 Prozent nehmen sie sich. Im Bundesdurchschnitt bezogen 2014 nur 34 Prozent der Väter Elterngeld, so das Statistische Bundesamt.


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