3. November 2011
Insolvenzen bei Krankenkassen
Wenn Gesundheit zur Ware wird
Im ersten Jahr nach der Einführung des Gesundheitsfonds haben zwei gesetzliche Krankenkassen Pleite gemacht: Im Sommer musste die City BKK schließen, Anfang November musste die BKK für Heilberufe das Aus verkünden. Angelika Beier, Krankenkassen-Expertin bei der IG Metall, erklärt, welche Folgen ...

... es hat wenn Krankenkassen Pleite gehen und was betroffene Versicherte tun können.

Wie kann es sein, dass Krankenkassen pleite gehen können?
Krankenkassen sind Körperschaften öffentlichen Rechts, die gesetzliche Aufgaben erfüllen. Eigentlich ist dort der Staat in der Verantwortung, dass die erforderlichen Rahmenbedingungen und Mittel für die gesundheitliche Versorgung zur Verfügung stehen. Man stelle sich nur mal vor, die Bundesagentur für Arbeit müsste wegen Überschuldung schließen. Aber in der Tat hat die vorherige Bundesregierung dafür gesorgt, dass Länder und Bund aus der Haftung und damit aus der Verantwortung entlassen wurden.
Seit 2010 sind Krankenkassen laut Gesetz insolvenzfähig. Hinzu kommt, dass der Gesundheitsfonds, aus dem die Kassen Zuweisungen bekommen, unterfinanziert ist. Zwangsläufig geraten die Kassen in eine schwierige Lage und müssen Zusatzbeiträge erheben. Wenn sie zudem viele Versicherte in hochpreisigen Regionen wie Berlin und Hamburg haben, wie die City-BKK, die jetzt strauchelt, und wenn wegen des Zusatzbeitrags die Versicherten die Kasse in Scharen verlassen, dann droht die Zahlungsunfähigkeit.

Was bedeutet das für die Versicherten?
Wichtig ist erstmal: Die Versicherten bleiben weiterhin versorgt, kein Arzt darf die Behandlung verweigern. Sie können in jede andere gesetzliche Krankenkasse wechseln, es gibt keine Ablehnungsgründe!
Für die Schulden der insolventen Kasse haften allerdings die anderen Kasssen: Bis zu einer festgelegten Grenze die Kassen der eigenen Kassenart, also in diesem Fall die Betriebskrankenkassen, darüber hinaus aber auch alle anderen Kassen.
Bei der engen Finanzsituation hat das katastrophale Folgen. Wegen der Haftungsverpflichtung werden absehbar weitere Kassen in Schwierigkeiten geraten und es entsteht ein Dominoeffekt. Dies scheint politisch gewollt zu sein. „Marktbereinigung“ gilt als normal, wenn Krankenkassen wie Unternehmen im Markt gesehen werden.

Welche Alternativen gibt es?
Krankenkassen sind keine Unternehmen, und Gesundheit ist keine Ware. Gesundheitsversorgung ist eine sozialstaatliche Aufgabe, und viele Länder beneiden uns um unsere soziale Krankenversicherung. Eine große Mehrheit der Bevölkerung will, dass die gesetzliche Krankenversicherung die medizinisch notwendigen Leistungen für alle in bestmöglicher Qualität erbringt und dass diese solidarisch finanziert werden. In diesem Sinne ist die Bürgerversicherung, in die alle einbezogen sind und nach ihrer Leistungsfähigkeit einzahlen, das Zukunftsmodell. Das Gegenmodell, das Gesundheitsminister Rösler proklamiert, der auf den Wettbewerb schwört, läuft auf eine Basisversicherung plus privat finanzierten Zusatzleistungen hinaus. Das wäre das Ende der sozialen Krankenversicherung. Viele könnten sich dann nicht mehr die optimale Behandlung leisten.


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