Peter Bofinger im Interview
„Wir brauchen starke Gewerkschaften“

Warum stößt die Globalisierung auf so viel Widerstand? Und wie kann Deutschland im globalen Wettbewerb bestehen? Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger plädiert im Interview für mehr Qualifizierung – und für mehr Gerechtigkeit.

28. November 201628. 11. 2016


Herr Bofinger, die USA sind Deutschlands wichtigster Exportmarkt. Der gewählte US-Präsident Trump will die heimische Industrie stärken, womöglich Zollschranken hochziehen. Was droht der deutschen Industrie?

Peter Bofinger: Nichts wird so heiß gegessen wie gekocht. Die USA würden unter einem Handelskrieg ja selbst leiden. Wenn jeder seine Grenzen dicht macht, verlieren alle an Wohlstand. Gerade die kleinen Leute hätten ein Problem: Sie könnten dann keine günstigen Produkte aus China mehr kaufen. Herr Trump wird sich das gut überlegen.

Und wenn er doch ernst macht?

Das würde Deutschland hart treffen. Die deutsche Wirtschaft hat sich in den vergangenen 25 Jahren wie keine andere globalisiert. Auch China geht ja ganz deutlich in Richtung Protektionismus. In diesem Kräfte-Dreieck hat Deutschland nur mit einem starken Europa eine Chance.

Sie sagen: Trump hat den „kleinen Leuten“ wenig zu bieten. Aber viele Arbeiter haben ihn gewählt. Warum?

Das Problem ist: Die Wohlstandsgewinne durch die Globalisierung sind bei vielen Menschen nicht angekommen. Das Einkommen eines durchschnittlichen Vollzeit-Arbeitnehmers ist in den USA seit 1978 konstant. In Deutschland verbuchen die unteren 30 Prozent der Einkommensbezieher seit 1991 keine Wohlstandgewinne mehr – obwohl das Bruttoinlandsprodukt um fast 30 Prozent gestiegen ist. Wenn Menschen wirtschaftlich abgekoppelt werden, fühlen sie sich zu Recht vom politischen Establishment vergessen und machen sich dann durch die Wahl populistischer Parteien und Politiker bemerkbar.

Wie können wir verhindern, dass Menschen ökonomisch abgehängt werden?

Was wir mit Sicherheit brauchen, sind starke Gewerkschaften. Man braucht auch Mindestlöhne. Und man muss über das Steuersystem mehr umverteilen. In Deutschland ist das Gegenteil passiert: Die Spitzensteuersätze wurden gesenkt. Es wurden also diejenigen entlastet, die ohnehin von der Globalisierung profitieren. Wir brauchen auch höhere Löhne. Im Öffentlichen Dienst Baden-Württemberg sollen die Beamten nach den Vorstellungen der Regierung Kretschmann nur noch eine Besoldungserhöhung von einem Prozent erhalten. Das ist viel zu wenig für eine der wirtschaftlich stärksten Regionen Europas.

Höherer Löhne gibt es nur mit Tarifverträgen. Die IG Metall fordert zum Bundestagswahljahr auch politische Maßnahmen für mehr Tarifbindung – zum Beispiel sollen Tarifverträge weiter gelten, wenn Firmenteile ausgegliedert werden.

Das ist absolut sinnvoll. Die Globalisierung wird nur Erfolg haben, wenn sie Wohlstand für alle bringt – wie es Ludwig Erhard formuliert hat. Möglichst weitreichende Tarifbindung ist dafür ein zentrales Mittel.

Wie kann Deutschland als Hochlohnland in einer globalisierten Welt bestehen?

Wir müssen auf Qualifikation setzen – und dabei klotzen, nicht kleckern. Deutschland investiert zu wenig in Bildung, viel weniger als die skandinavischen Länder. Auch Weiterbildung ist wichtig: Beschäftigte sollten für eine gewisse Zeit aus dem Job aussteigen können, um sich fortzubilden. Davon profitieren beide Seiten, auch die Arbeitgeber.

Neu auf igmetall.de

Newsletter bestellen