8 metallzeitung | Oktober 2019 Der »Grüne Knopf« hat erhebliche Schwächen Seit September gibt es das Gütesiegel »Grüner Knopf«. Es soll denen eine Orientie- rung geben, die fair produ- zierte Kleidung kaufen möch- ten. Versuche, über Gütesiegel dafür zu sorgen, dass Arbeits- und Menschen- rechte vor Ort eingehalten und Fabriken sicherer wer- den, gibt es schon länger. Der »Grüne Knopf«, eine Initiative des Bundesentwicklungsmi- nisteriums, hält aber nach Einschätzung der Kampagne für Saubere Kleidung nicht, was er verspricht. Es hakt an der Umsetzung. Dazu kom- men zwei weitere Schwach- stellen: Weder die Kontrolle der gesamten Lieferkette noch existenzsichernde Löhne sind gewährleistet. Saubere-Kleidung.de Europaweite Tarifkampagne startet Die europäischen Industrie- gewerkschaften wollen Tarif- vertragssysteme und Tarifver- träge weiter stärken. Dafür haben sie die europaweite tarifpolitische Kampagne »Together at work« gestartet. Die Kampagne läuft bis nächs ten März und soll die positiven Folgen von Tarifver- trägen auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten aufzeigen. In den letzten Jahrzehnten sind in verschiedenen Ländern der Europäischen Union die Tarifvertragssysteme ero- diert. Insbesondere nach der Finanzmarktkrise 2008 wur- den Entgelte gesenkt und Arbeitsbedingungen ver- schlechtert. togetheratwork.eu industriall-europe.eu s n e m e i S / h c i r d i e H . A : o t o F »Wir brauchen eine Offensive für Qualifizierung« Von den Veränderungen, das ist Oliver Mauer klar, sind alle betroffen – egal ob er oder sie in der Fertigung, in der Entwick- lung oder im Büro arbeitet. »Der Wandel trifft das gesamte Unternehmen«, sagt der Betriebsratsvorsitzende von Siemens in Bad Neustadt. Vor allem Automatisierung und Digitalisierung werde am Standort, an dem rund 2000 Menschen arbeiten, eine Veränderung der Arbeit hervorbringen, neue Technologien und Produkte schaf- fen. Das werde zu einem Wandel der Arbeit führen. »Darauf müssen wir uns einstellen. Wir brauchen eine Qualifizie- rungsoffensive.« Der Zukunftsfonds, den Siemens, IG Metall und Gesamtbetriebsrat im ver- gangenen Jahr vereinbart haben, ist ein erster, wichtiger Schritt: In den kommen- den vier Jahren wird das Unternehmen 100 Millionen Euro zur Bewältigung des strukturellen Wandels bereitstellen. Das Geld, über dessen Vergabe ein paritätisch besetzter Vergabeausschuss entscheidet, soll vor Ort in die Standorte fließen und in vorausschauende, nachhaltige Qualifizie- rung der Beschäftigten gesteckt werden. Das geschieht bei Siemens in Bad Neustadt. Mehr als die Hälfte der Beschäf- tigten, rund 65 Prozent, arbeiten in der Produktion, sie stellen Elektromotoren für Werkzeugmaschinen her. »Digitalisierung und Automatisierung prägt unsere Ferti- gung«, sagt Oliver Mauer. »Fahrerlose Assistenzsysteme halten Einzug, Maschi- nen werden vernetzt. Das verändert die Arbeit gewaltig.« Gezielt qualifizieren Der Bedarf an Qua- lifizierung steigt, die Anforderungen wachsen. Bislang aber gab es am Standort keine systematische Personalplanung und keine nachhaltige Qualifizierung. Das hat sich geändert. »Wir analysieren auf Basis der technischen Veränderungen im Ferti- gungsprozess die Qualifizierungsbedarfe der Mitarbeiter und bieten zielgerichtete Weiterbildungsmaßnahmen an.« Die Qualifizierungsmaßnahmen sind breit gefächert und individuell zugeschnit- ten: Es gibt Weiterbildungsangebote, um in Softwareprogrammierung fit zu werden. Es gibt Qualifizierung speziell für Beschäf- tigte in der Fertigung, die mit Assistenzsys- temen zusammenarbeiten müssen. Es gibt Maßnahmen, die einen Tag dauern, und andere, die über Wochen gehen. »Die Qua- lifizierungsmaßnahmen, die wir anbieten, sind wichtig, sie reichen aber allein nicht aus«, sagt Oliver Mauer. Elementar sei, eine »lernförderliche Arbeits- umgebung« zu schaffen. »Wir müssen neue Medien einset- zen, Tablets in der Fertigung. Es muss gelingen, Freiräume zu schaffen, in denen während und mit der Arbeit gelernt wer- den kann.« Daniel Friedrich (rechts), Systembetreuer in der Läuferfertigung, weiß, dass sich seine Arbeit wandelt. Der Betriebsratsvorsitzende Oliver Mauer (links) dringt daher auf Qualifizierungs- maßnahmen.