einem entscheidenden Punkt einig sind: Wir alle müssen den Klimawandel jetzt auf- halten. Und »jetzt« bedeutet, dass wir schauen, welche Maßnahmen wir schnell mit großer Wirksamkeit umset- zen können. Eine Maß- nahme wäre der zügige Aus- tausch von Autos mit alter gegen solche mit modernster Verbrennertechnologie, ge- gen Hybride oder E-Autos. Das Problem ist nur, bei E- Fahrzeugen gibt es jetzt schon Lieferengpässe, weil nicht genü- gend Batterien zur Verfügung stehen und das wird sich in den nächsten Mo- naten nicht ändern. Wir haben als IG Metall seit Jahren auf diesen Missstand hingewiesen. Wenn ich dann schaue, was jetzt konjunkturell und ökologisch wirksam ist, dann sagen wir als IG Me- tall: Nehmt die alten Stinker aus dem Markt und ersetzt sie durch moderne Fahrzeuge, auch moderne Verbrenner. Das wirkt sich sofort positiv auf das Klima aus. Das Konjunkturpaket enthält Maß- nahmen, die die Beschäftigung in der Automobilindustrie sichern könnten: mehr Geld für E-Ladestationen, Anreize zur Flottenerneuerung bei Lkw und Bussen, Geld für Zukunftsin- vestitionen der Hersteller und Zuliefe- rer. Wie sehr hilft all das der Branche? Hofmann: Das sind viele richtige Maß- nahmen, die allerdings mittelfristig wirken. Sie sind eher Teil eines Inves- titionsprogramms für die von uns ge- forderte Transformation, aber weniger konjunkturelle Maßnahmen, die kurz- fristig wirken. Im Paket stecken auch Instrumente, die die IG Metall schon lange fordert, etwa die Stärkung der Wasserstoff- wirtschaft, die EEG-Umlage wird abgesenkt, die Deckelung von Foto- voltaik aufgehoben und die Mittel für Gebäudesanierung verdoppelt. Wie bewertest Du diese Maßnahmen? »Die IG Metall wird alles dafür tun, dass wir mit möglichst vielen Beschäftigten durch dieses Krisental kommen.« Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall stoffstrategie. Die hat nicht nur für die Automobilindustrie, sondern auch für die maritime Wirtschaft und die Stahl- industrie enorme Bedeutung. Alles in allem ist hier vieles enthalten, das in die richtige Richtung zielt. Wir als IG Metall werden darauf achten, dass die Förderprogramme abgerufen und umgesetzt werden. Dass aus den Ver- sprechungen reale Taten werden, die Beschäftigung sichern und Transfor- mation fördern. Thema Ausbildung. Auch die leidet unter der Coronapandemie. Die Regierung will bis zu 3000 Euro Prä- mie für Ausbildungsplätze zahlen. Symbolpolitik oder wirksam? Hofmann: Jenseits jeder Prämie sehe ich die Arbeitgeber in der Pflicht, Ausbil- dungsplätze zu erhalten und noch mehr für die Ausbildung zu tun. Der demogra- fische Wandel fällt nicht aus wegen der Coronapandemie. Wer jetzt Ausbil- dungsplätze streicht, der verbaut sich seine Zukunft, weil ihm dann Fachkräfte fehlen. Von 3000 Euro macht wohl kein Arbeitgeber seine Entscheidung abhän- gig, einen Ausbildungsplatz zu schaffen oder eben nicht. Aber es ist ein klares Statement der Politik an die Arbeitgeber: »Handelt verantwortlich, sichert Ausbil- dungsplätze, und wer zusätzlich Ausbil- dungsplätze schafft, der übernimmt Ver- antwortung für die Gesellschaft.« Familien erhalten 300 Euro Kinder - bonus. Ist das angemessen? Hofmann: Hier haben wir echte Fort- schritte erzielt. Etwa bei der Wasser- Hofmann: Der Kinderbonus ist eine rich- tige Maßnahme, die auch die IG Metall Juli/August 2020 | metallzeitung 9 auf der Agenda hatte. Familien mit Kindern waren und sind sehr stark belastet durch die Fol- gen der Pandemie. Insofern ist der Bonus eine materielle Aner- kennung für die Familien, die angesichts geschlossener Kitas und Schulen, häufig im Spagat zwischen Homeschooling und Homeoffice, vor einer Zerreiß- probe standen und zum Teil auch noch stehen. Zur Wirkung auf die Wirtschaft: Die 300 Euro können zum Konsum beitragen. Seit seinem Tief Ende März hat der MSCI World Index 38,5 Prozent gewonnen. Der Ölpreis steigt, der Preis des Industriemetalls Kupfer erholt sich. An den Finanzmärkten wächst also die Überzeugung, dass die schlimmste Phase der Pandemie vorbei ist. Wie analysierst Du die Lage mit Deiner Kenntnis der Situation in Betrieben und Konzernen? Hofmann: Wir sehen an den Finanz- märkten eine Blase, eine Entwicklung, die der Situation der Realwirtschaft nicht entspricht. Die OECD geht davon aus, dass wir 2020/2021 in eine massive Weltwirtschaftskrise steuern. Und im Gegensatz zur Krise 2009/2010 haben wir keinen, der uns durch Nachfrage aus dem Sumpf zieht – wie damals China. China ist nicht mehr in diesem Umfang abhängig von den Exporten aus Deutschland. Wir müssen uns also selbst aus dem Sumpf ziehen. Daher ist jetzt schon erkennbar: Es geht nicht schnell nach oben. Viele sagen, dass wir erst 2022/2023 wieder die Chance haben, das Vorkrisenniveau zu errei- chen. Ich hoffe, vorher, denn die ent- scheidende Frage lautet doch: Trägt die Brücke Kurzarbeit? Bricht sie und wir erleben Entlassungswellen im größe- ren Umfang, wird sich diese Krise ver- stärken und den gesellschaftlichen Zu- sammenhalt extrem infrage stellen. Deswegen wird die IG Metall alles dafür tun, dass wir mit möglichst vielen Beschäftigten durch dieses Krisental kommen. Und da sind Politik und Ar- beitgeber gefordert, uns dabei zu unter- stützen.