Lebenschancen
Gute Bildung – nicht nur ein Privileg für die Oberschicht

Mehr als die Hälfte junger einkommensschwacher Menschen sehen keine Chance für einen sozialen Aufstieg.

17. Dezember 201217. 12. 2012


Die Schere zwischen Arm und Reich ist im letzten Jahrzehnt weiter auseinander gegangen. Wie sich die Unterschiede zwischen oben und unten auf die Lebenschancen der Menschen auswirken, war eines der Themen auf dem Kurswechsel – Kongress der IG Metall Anfang Dezember 2012 in Berlin

 


Hohe Armutsquote in Großstädten

 

In den großen Städten sind die Einkommensunterschiede besonders dramatisch. In Städten mit mehr als 300 000 Einwohnern liegt die Armutsquote zwischen 20 und 25 Prozent. Schon am Stadtbild zeigt sich die massive Polarisierung der Einkommensgruppen: Sanierungsbedürftige Sozialbauten statt Einfamilienhäuser. Stillgelegte Schwimmbäder und Spielplätze, die eher trostlos wirken. Viele Kommunen müssen sparen. Da werden städtische Angebote, wie Jugendhäuser, Sporthallen oder Musikschulen entweder ganz geschlossen oder privatisiert. Gefördert werden vielerorts nur noch die Prestigeprojekte.

Das hat Auswirkungen auf das Leben und den Alltag von Menschen. Es ist ein unhaltbarer Zustand, wenn Eltern sich entscheiden müssen, ob sie ihren Kindern die Klassenfahrt finanzieren oder eine zahnmedizinische Behandlung. Nicht selten werden gar die Kinder von Wohlhabenderen eher auf Privatschulen geschickt.

Schlechtere Bildungschancen wirken sich später auch auf das Fortkommen in der Arbeitswelt aus. Einen guten Job oder gar eine Karriere, machen meistens nicht die aus den falschen Stadtvierteln. Auch die Gesundheitsrisiken ärmerer Menschen sind größer. Die sozialen Ängste wachsen. Menschen werden ausgegrenzt und die Politikverdrossenheit nimmt zu.

Vom Tellerwäscher zum Millionär ― die Verwirklichung dieses Traumes glückt immer weniger Menschen. Und viele glauben auch gar nicht daran, dass sie überhaupt Perspektiven haben. Das belegen die Ergebnisse einer Allensbach – Umfrage unter 30-jährigen einkommensschwachen Deutschen. 55 Prozent der Befragten hält einen Aufstieg aus einer einfachen sozialen Schicht nur für sehr schwer möglich. Durch persönliche Anstrengungen weiter zu kommen ― davon sind sogar nur 19 Prozent überzeugt.

 

Armuts- und Reichtumsbericht aufgehübscht

 

Zwar machen Arbeiterkinder heutzutage häufiger Abitur als noch vor dreißig Jahren, doch nicht alle entscheiden sich anschließend für ein Studium. Dagegen beginnen knapp 80 Prozent der Kindern ein Studium, wenn deren Eltern auch studiert haben. Während nur 13 von 100 Kindern, deren Eltern einen Hauptschulabschluss haben, 2009 ein Studium angefangen haben. Das belegt der aktuelle Berufsbildungsbericht der Bundesregierung. Dass Bildungswege und Herkunft zusammenhängen, ist nicht neu. Diese Zusammenhänge werden in regelmäßigen Abständen untersucht und die Ergebnisse jedes Mal aufs Neue wieder bestätigt.


Doch die Ergebnisse all dieser Studien werden von der Regierung beiseite gewischt. Denn einen anderen Schluss lässt die Schönfärberei im vierten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung nicht zu. So darf der aktuelle Bericht keine klaren Aussagen zur ungleichen Vermögensverteilung in Deutschland enthalten. Deutschland gehe es so gut wie nie zuvor, meinte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler und verteidigte die Streichungen im Morgenmagazin von ARD und ZDF Ende November. Der Bericht dürfe keine Passagen enthalten, „die den Eindruck vermitteln, es würde den Menschen schlecht gehen, wir hätten soziale Unruhen, was auch immer, dann würde das der falsche Eindruck sein“, so Rösler.

 


Ungerechtigkeiten im Bildungssystem beseitigen

 

Berthold Huber kündigte in Berlin an, dass die IG Metall sich nicht mit gesellschaftlichen Verhältnissen abfinden werde, in denen die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden. Gute Bildung darf nirgendwo nur ein Privileg für eine kleine Oberschicht sein. Deshalb müsse mehr in Bildung investiert und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die IG Metall fordert ein bildungspolitisches Sonderprogramm in Höhe von 100 Euro pro Einwohner für Deutschland. Diese etwa acht Milliarden Euro sollen den Gemeinden als Sonderinvestitionsmittel für konkrete Bildungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden.

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