David Herb bei BMW in Shenyang
Gehörlos in China

Das BMW-Werk Shenyang in China. Hier arbeitet der frisch ausgebildete Fertigungsmechaniker David Herb für die nächsten zwei Jahre. Auslandseinsatz mit Rückkehrgarantie – und unbefristete Übernahme trotz Krise. Das haben Gesamtjugendvertretung und Gesamtbetriebsrat bei BMW ausgehandelt. Das ...

28. April 201028. 4. 2010


... besondere bei David: Er ist gehörlos.

Seit etwa zwei Monaten arbeitet David Herb nun im BMW-Werk Shenyang im Nordosten Chinas. Gehörlos – aber ohne Verständigungsprobleme. „Das hat alles eigentlich schon am zweiten Tag reibungslos geklappt“, erzählt David. „Nach Besprechungen hake ich immer nach – mit Papier und Stift, auf Englisch. Und ich schaue mir die Arbeitsgänge genau an. Die Kollegen helfen mir, wenn es noch irgendwo hängt. Detaillierte Infos lasse ich mir per E-Mail schicken.“

Die Sprachbarriere
Und David büffelt Chinesisch, auch die extrem schwierige Schrift, in seiner Wohnung, in der er gemeinsam mit drei anderen deutschen Auslernern wohnt. Dort hat er auch einen Internet-Anschluss, über den er Verbindung nach Hause hält. Und er besucht eine chinesische Gehörlosenschule, vor allem um Kontakte zu knüpfen. Dank einer neuen chinesischen Bekannten lernt er die chinesische Form der Gebärdensprache schnell.

„Kleinere Unterschiede in der Gebärdensprache sind wir Gehörlosen gewohnt. Selbst innerhalb Deutschlands gibt es mehrere Dialekte“, erklärt David. „Chinesisch ist aber schon sehr speziell.“ Mittlerweile hat David schon jede Menge Kontakte in Shenyang – zu Gehörlosen und Hörenden, auch außerhalb des BMW-Werks.

In den ersten Tagen hat David eine Runde im Werk gedreht, in allen Bereichen mal ein wenig reinschnuppern. Jetzt hat David eine besondere Aufgabe in der Werkzeugmannschaft bei der Einführung des neuen 5er-BMWs. „Es läuft super. Ich bin echt überrascht“, sagt David. „Das Verhältnis zu den Kollegen ist toll. Und die Personalleitung im Werk unterstützt mich wirklich sehr.“ Davids Weg nach China verlief anfangs gar nicht so reibungslos. Er musste viele Widerstände und Vorurteile über Gehörlose überwinden.

Barrieren überwunden
BMW-Werk München, Anfang Februar. Ich treffe David Herb an seinem letzten Ausbildungstag. Einen Gebärdensprachdolmetscher brauchen wir nicht. David tippt rasend schnell auf der Computertastatur und kann einzelne Sätze verständlich sprechen. Er hat bestanden,mit Notendurchschnitt 2,0. Eine ganz normale Facharbeiterausbildung, gemeinsam mit hörenden Azubis. „Einige da oben sind immer noch der Meinung, dass taube Menschen wenig oder nichts können. Da gibt es noch jede Menge Aufklärungsbedarf“, erzählt David. Und das meint er nicht nur in Bezug auf seine erfolgreiche Ausbildung – sondern vor allem im Hinblick auf seinen zweijährigen Aufenthalt im BMW-Werk China, wo er Ende Februar hinfliegt.

„Als die Jugendvertretung uns letztes Jahr von dem Auslandsangebot erzählt hat, bin ich sofort zur Personalstelle“, erinnert sich David. „Doch dort hieß es: Das geht nicht wegen Deiner Taubheit. Aus ’beruflichen und privaten Gründen’. Besonders wegen der Verkehrssituation in China sei das Risiko zu groß.“ Aber David hat nicht aufgegeben. Er bohrte nach und wandte sich an die Jugendvertretung. David wäre sogar bereit gewesen, sämtliche Unfall- und Gesundheitsrisiken selbst zu übernehmen.

Die Jugendvertretung macht sich stark
Die Jugendvertretung setzte sich für ihn ein. Er wurde doch zum Auswahlinterview eingeladen. Anfang Dezember hat es schließlich geklappt. „Ich war überglücklich“, erzählt David. Warum er unbedingt nach China wollte? „Ich bin eben ein Abenteurer. Das ist schon seit meiner Kindheit so. Sicherlich auch, weil meine ganze Familie gehörlos ist – und dennoch schon immer normal gelebt, gearbeitet und Urlaub gemacht hat.“ David war schon oft im Ausland. Einmal als Besucher bei den „Deaflympics“ – den olympischen Spiele für Gehörlose – in Taiwan. Und er engagiert sich in zahlreichen Gehörlosenvereinen.

Vor allem aber will David über China beruflich weiterkommen. „Gehörlose Azubis landen später meist am Fließband. Mehr traut man ihnen nicht zu. Doch ich will mehr Abwechslung und Verantwortung übernehmen.“

In seinem Weblog berichtet David Herb über seine Zeit in China.
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