Azubis im Osten kämpfen für sichere Jobs nach der Ausbildung
Die „Wende“ im Osten: Kuschen war gestern

Lange Zeit ging es im Osten bergab: Weniger Arbeit und Ausbildung, weniger tarifgebundene Betriebe, weniger IG Metall-Mitglieder. Das dreht sich nun: Die Arbeitslosigkeit sinkt schneller als im Westen. Immer mehr Betriebe suchen händeringend Bewerber. Das gibt den Azubis Auftrieb. In der Region ...

30. Mai 201230. 5. 2012


... Dresden stehen sie auf und hauen auf den Putz: für faire Bezahlung und Jobs nach der Ausbildung.

„Früher hat sich die Jugendvertretung hier eher um Freizeit und Belustigung gekümmert, um Fußball oder Weihnachtsfeiern“, erinnert sich Maik Straube, Vorsitzender der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) bei BGH Edelstahl im sächsischen Freital. „Dabei lief hier einiges schief.“ Etwa, dass viele Azubis nach der Ausbildung gehen mussten. BGH ist nicht im Flächentarif und hatte überhaupt keine Übernahmeregelung.

Doch die haben sich die BGH-Azubis mit langem Atem selbst erkämpft. Sogar unbefristet. Vor über zwei Jahren zogen sie erstmals mit Transparenten durchs Werk. Sie enterten Sitzungen und forderten von der Geschäftsführung Perspektiven für ihre Zukunft ein. Sie stellten Pappsäulen mit Porträts und Statements aller Azubis auf und zeigten ein Video mit Solidaritäts-Erklärungen älterer Beschäftigter. „Anfangs hatten wir die Hosen voll. Aber wir haben es durchgezogen“, sagt Maik. „Alle waren baff. Das hatte es hier nie gegeben: Die Azubis machen die ’Gusche’ auf.“


Die Azubis von BGH Edelstahl forderten von ihrer Geschäftsleitung sichere Jobs nach der Ausbildung. Foto: Manuela Bergmann

„Gusche“ auf

Die BGH-Azubis sind nicht die einzigen, die in Sachsen aufmucken: Ähnlich läuft es auch bei den Elbe Flugzeugwerken, den Karosseriewerken Dresden oder bei KBA: Sie ziehen bei Nacht und Nebel mit Stickern und Sprühkreide durch den Betrieb – und verteilen morgens Frühstückseier für die Übernahme.

Auch in den kleinen Buden läuft es. Etwa im Kfz-Handwerk, wo gerade Tarifverhandlungen sind. Auch hier sind die Azubis mit Porträt-Säulen am Start – und Slogans wie „450 Euro Ausbildungsvergütung – davon kann man nur bei Mutti leben“. Die Azubis der BMW-Niederlassung Dresden haben ihre Säulen den Kfz-Chefs direkt in den Tarif-Verhandlungssaal gestellt.

Cool und stark

In der Daimler-Niederlassung Dresden ärgert sich der Chef, der sogar Arbeitgeber-Verhandlungsführer ist, über die vielen Postkarten, die ihm Dresdner Bürger schicken: „Perspektiven für Sachsens Jugend, Übernahme und mehr Geld“, steht da drauf. Seine Azubis haben die Karten als Osterhasen verkleidet auf dem Marktplatz unter die Leute gebracht.

Beim Kfz-Zulieferer Steffen Söhner schließlich klagt die JAV gerade die Differenz zum Tarif ein. Es winken 12 000 Euro Nachzahlung pro Nase& – und ein wegweisendes Urteil gegen Azubi-Abzocke.

„Und das rocken die alles alleine“,betont Manuela Bergmann von der IG Metall Dresden. „Die bleiben cool und stark, obwohl die Chefs versuchen, die Azubis einzuschüchtern.“ Früher wäre das hier undenkbar gewesen. Doch das war gestern.
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