31. Mai 2017
Werkzeugmechaniker
Solides Handwerk trifft auf digitales Wissen
Michelle Braun lernt Werkzeugmechanikerin – weil sie findet, dass sie in diesem Beruf „selbstständig arbeiten und kreativ sein kann und die Tätigkeiten vielseitig sind“. Anspruchsvoll sind sie außerdem.

Heute steht Tuschieren auf dem Programm. Michelle Braun trägt unempfindliche Arbeitskleidung und eine Schutzbrille, als sie beginnt, eine Metallplatte mit blauer Farbe einzustreichen. Danach legt sie ein Gussteil darauf und bewegt es hin und her. Einige Stellen verfärben sich. An diesen blauen Punkten ist es uneben. Michelle schleift sie behutsam ab.

Das bearbeitete Metall ist Teil eines Schneidmessers. Es gehört zu einer über zwei Meter langen Form mit einer aus Metall gegossenen Sohle und vielen verschiedenen Bauteilen. Wenn es fertig ist, wird zwischen diese Sohle und einem Gegenstück eine Aluminiumplatine geklemmt und in Form gepresst.

 

Michelle Braun schleift ein Metallteil glatt – die 18-Jährige lernt Werkzeugmechanikerin bei Audi. Foto: Audi AG


Lernen in Theorie und Praxis

Mit solchen Werkzeugen werden später im Presswerk Seitenwandrahmen, Türen, Heck-, Frontklappen oder andere Karosserieteile hergestellt; jedes Automodell und jedes Teil der Autoaußenhaut braucht ein eigenes Presswerkzeug. Die Formen müssen hundertprozentig passen, damit in der Serienproduktion keine Qualitätsmängel entstehen und der Prozess reibungslos verläuft. Das ist Präzisionsarbeit, die aufwendige Vorarbeiten notwendig macht. Bei Audi leisten das Spezialisten aus dem Kompetenzzentrum Anlagen- und Umformtechnik in Ingolstadt, Neckarsulm und weiteren Standorten.

Dort gibt es Lernstationen für angehende Werkzeugmechanikerinnen und -mechaniker. In ihr werden Michelle und über 40 weitere Azubis Profis im Tuschieren, Schleifen, Feilen, Fräsen, Drehen, Bohren und Sägen geschult. Sie nieten, kleben, löten und schrauben Teile zusammen. Sie lernen in Theorie und Praxis, welche Eigenschaften die unterschiedlichen Werkstoffe Kupfer, Stahl, Messing, Aluminium oder Kunststoff haben, zum Beispiel wie sie reagieren, wenn sie erhitzt werden. Sie werden darin geschult, wie sie sich bearbeiten lassen und wofür sie eingesetzt werden können.


Praktisches Arbeiten statt Schreibtischarbeit

Und sie stellen selber Bauelemente her. Angefangen hat Michelle in der Grundbildung mit einer Bohrerablage, einem Luftkolbenmotor und einem Locher. Nur zur Übung. Inzwischen stellt sie richtige, einsetzbare Werkzeuge her.

„Für mich war immer klar, dass ich nicht den ganzen Tag am Schreibtisch hocken, sondern etwas Praktisches machen will“, erklärt Michelle, wie sie auf Werkzeugmechanikerin gekommen ist. Die 18-Jährige ist im zweiten Ausbildungsjahr. Sie hat es nicht bereut, sich für diesen Beruf entschieden zu haben. „Die Arbeit ist vielseitig, kreativ und man kann viel selbstständig arbeiten.“


Virtuelle Werkzeuge

Künftig wird neben solider Handwerksarbeit digitales Wissen eine wachsende Rolle spielen. „Auf diese Zukunft bereiten wir die Azubis vor“, berichtet Marc Semmler, Trainer bei Audi. Die Jugendlichen arbeiten bestimmte Themen an ihrem Tablet-PC selbstständig durch. In der Fachbildung Metall im Audi-Bildungszentrum konstruieren sie Teile für ihre Werkzeuge am Computer selbst und drucken sie anschließend mit dem 3-D-Drucker aus.

„Werkzeugmechaniker müssen sich auf intelligente Werkzeuge einstellen“, sagt Christoph Rüster. Er ist Entwickler für „Automatisierungstechnologie“. Die Werkzeuge der Zukunft enthalten viel Elektronik: Sensoren liefern Messwerte über den Zustand von Werkzeug und Bauteil. Mit den so erzeugten Datensätzen kann der Werkzeugmechaniker das reale Werkzeug direkt mit einem Simulationsmodell vergleichen. So erreicht er schneller die Vorgaben der Entwickler und kann blitzschnell auf Abweichungen reagieren. In Zukunft sieht er das alles vielleicht auf der Datenbrille. Zukunftsmusik? Für viele angehende Werkzeugmechanikerinnen und -mechaniker kann das bald zur alltäglichen Arbeit gehören.


Spaß am Handwerk

Jedes Jahr beginnen rund 3 500 Jugendliche die dreieinhalb Jahre dauernde Ausbildung als Werkzeugmechanikerin oder -mechaniker. Die meisten Azubis schließen ihre Ausbildungsverträge nicht in der Autoindustrie ab, sondern in Betrieben, die Werkzeuge, Werkzeugmaschinen oder Medizintechnische Geräte herstellen. Viele arbeiten dort später auch.

Bewerben können sich alle, die einen Haupt- oder Realschulabschluss oder Abitur haben. Die meisten haben, wie Michelle, vorher die Realschule besucht. „Wer Werkzeugmechaniker werden will, sollte Spaß an handwerklicher Arbeit haben“, findet Michelle Braun. „Er oder sie sollte selbstständig Probleme lösen können und Ausdauer haben: bei komplexen Aufgaben nicht aufgeben, sondern dranbleiben. Verständnis für Mathe, Physik und Technik zu haben und gut im Team arbeiten zu können, ist auch ganz hilfreich.“


Ausbildung zahlt sich aus – auch auf dem Konto

Angehende Werkzeugmechaniker gehören zu den Gutverdienern unter den Auszubildenden. Sie erhalten im ersten Jahr oft zwischen 920 und 990 Euro brutto. Bis zum vierten Jahr steigt die Vergütung auf über 1 000 Euro, manchmal bis 1 200 Euro. In Betrieben, in denen Tarifverträge der IG Metall gelten, erhalten sie durchweg mehr als in nicht tarifgebundenen. Außerdem gibt es nach Tarif Urlaubs-, Weihnachtsgeld und weitere Vergünstigungen und nicht zuletzt die Garantie, übernommen zu werden, wenn die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen ist.

Werkzeugmechanikern stehen viele Karrierewege offen. Sie können sich zum Beispiel zum Maschinenbautechniker oder Industriemeister Metall weiterbilden oder studieren. „Die Aussichten, dann auch eine passende Stelle zu finden, sind gut“, sagt Audi-Ausbilder Semmler. Michelle Braun kann sich vorstellen, einmal zu studieren oder Technikerin oder Meisterin zu werden. „Aber bevor ich mir darüber Gedanken mache, will ich erst mal eine gute Werkzeugmechanikerin werden und ein paar Jahre Erfahrungen sammeln. Es ist schließlich ein interessanter Beruf.“


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