USA vor der Wahl. Interviews mit einer Gewerkschafterin
Beschäftigte setzen weiter auf Demokraten

Im Wettrennen der Bewerber um die US-Präsidentschaft schlagen die Wellen hoch. In der polarisierten Auseinandersetzung geht es für Beschäftigte um den Erhalt und die Weiterentwicklung von Arbeitnehmerrechten. Die Gewerkschafterin Elizabeth Bunn skizziert im Interview die Gemengelage.

3. November 20163. 11. 2016


Elizabeth Bunn ist beim amerikanischen Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO Direktorin zuständig für Organizing. Beim Transatlantischen Arbeitnehmerdialog der IG Metall und Hans-Böckler-Stiftung im Oktober 2016 sprach sie über die Sicht von Beschäftigten in den USA im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen am 8. November.

Am 8. November hat Amerika die Wahl: Hillary Clinton oder Donald Trump. Was bedeutet das für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?
Elizabeth Bunn: Amerikas Beschäftigte kennen den Unterschied zwischen Clinton und Trump sehr genau. Sie wissen: Der Gewerkschaftshasser Trump ist eindeutig nicht auf ihrer Seite. So gesehen ist es besser, wenn Demokraten im Weißen Haus regieren. Die Leute haben auch nicht vergessen, wem sie zum Beispiel die Krankenversicherung zu verdanken haben.

Womit hat Trump Sympathien bei arbeitenden Menschen verspielt?
Es ist skandalös, wie er zum Beispiel in seinem Hotel in Las Vegas Arbeitnehmerrechte mit Füßen tritt. Die Kampagne der Gewerkschaften für 15 Dollar Mindestlohn lehnt er mit der Bemerkung ab, die Löhne seien jetzt schon zu hoch.

Was ist daran so problematisch?
Der amerikanische Traum, jede und jeder könnte es mit Fleiß und Engagement zu etwas bringen, ist ausgeträumt, wenn 7,25 Dollar Stundenlohn als zu hoch gelten. Davon kann man bei uns nicht selbstbestimmt leben. Das macht viele Leute wütend. Niedriglohn und kein Ende – das schwächt nicht nur die Kaufkraft, sondern auch die Wertschöpfung. Wir brauchen eine Trendwende. Seit Beginn unserer Kampagne für 15 Dollar Mindestlohn erstritten 20 Millionen Amerikaner Lohnerhöhungen durch Streiks. In mehr als 300 US-Städten hat es seit 2012 Streiks gegeben, vor allem von Fast-Food-Beschäftigten. Inzwischen weitet sich die Bewegung auf den gesamten riesigen Niedriglohnbereich aus. 42 Prozent aller amerikanischen Arbeitnehmer verdienen übrigens weniger als 15 Dollar die Stunde.


Wie stehen die Demokraten zum Mindestlohn und der Forderung nach positiver Neutralität?
Clinton hat sich dafür ausgesprochen, sich für den Mindestlohn einzusetzen. Anders als die Republikaner halten sie und viele Demokraten eine positiv-neutrale Einstellung zu Gewerkschaften in den Unternehmen für rechtens. Das bedeutet Ablehnung von illegalen Aktionen vieler Arbeitgeber zur Unterdrückung gewerkschaftlicher Strukturen. Wer Mitglied werden oder eine Interessenvertretung wählen will, wird zunehmend eingeschüchtert und mit Arbeitsplatzverlust bedroht. Inzwischen besteht eine regelrechte Union Busting Industrie, die mehr als vier Mrd. $ Umsatz erwirtschaftet. Das darf in den USA kein Standard sein!

Was denkt Ihr bei der AFL-CIO über das Handelsabkommen TTIP?
Die Handelsgesetze müssen auch zum Vorteil der Beschäftigten gestaltet werden. Wir sagen zu TTIP: Arbeitnehmer zuerst oder Stopp! Workers first or stop! heißt das bei uns. Auch hier ist positive Neutralität der Gesellschaft gegenüber Gewerkschaften wichtig. Wir verlangen nichts Außergewöhnliches. In Europa gibt es eine sehr starke Bewegung für Arbeitnehmerrechte, auch für diejenigen im prekären Bereich. Wir wollen mit den europäischen Gewerkschaften gemeinsam dafür eintreten, dass dies eine globale Bewegung wird.


Unabhängig davon, wer am 8. November die Mehrheit hinter sich bringt: Wie sehen die amerikanischen Gewerkschaften die Zeit danach?
Wir Gewerkschafter stehen für die freiheitlichen Ideen unserer Gründerväter. Von der neuen Regierung erwarten wir, dass sie in den Arbeitsbeziehungen die Arbeitnehmerrechte stärkt und wahrt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Die Lage der Gewerkschaften ist in den USA regional unterschiedlich. Während es im hochindustrialisierten Norden einen vergleichsweise hohen Organisationsgrad gibt, sind Politik und Wirtschaft im konservativ gestrickten Süden der USA geradezu gewerkschaftsfeindlich. Ausländische Automobilbauer haben sich in den letzten Jahren verstärkt im Süden der USA angesiedelt. Weder die Standorte von Toyota, Nissan, Honda oder Kia noch von Mercedes-Benz (Alabama), BMW (South Carolina) und Volkswagen (Tennessee), sind bis heute gewerkschaftlich organisiert. Insgesamt sind elf Prozent der Beschäftigten in den USA Mitglied in einer Gewerkschaft.

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