Interview mit Wolfgang Rhode: Finanztransaktionssteuer
Steuer gegen die ’Lust am Spekulieren’

Die Chancen für eine Finanztransaktionssteuer waren noch nie so realistisch und auch so nötig wie heute, findet Wolfgang Rhode, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. Deshalb beteiligt sich die IG Metall an der Kampagne „Regulate Global Finance Now“, die die Einführung der ...

27. Mai 201027. 5. 2010


... Finanztransaktionssteuer erreichen will. Im Gespräch erklärt Rhode, wie jeder Einzelne von uns sich beteiligen kann, wie die Steuer wirken soll und wer sie bezahlen müßte.

Warum hat die IG Metall sich der Kampagne „Regulate Global Finance Now“ angeschlossen?
Es gibt zwei Gründe. Erstens sollten die Finanzmärkte nach Möglichkeit europaweit reguliert werden. Das ist wirksamer als rein nationale Maßnahmen. Deshalb beteiligen wir uns auch an einer europäischen Kampagne beteiligen und wollen uns gemeinsam mit gleichgesinnten Personen und Institutionen aus ganz Europa für Finanzmarktregulierung einsetzen. Zweitens gibt die Kampagne uns die Möglichkeit, uns zu vernetzen und uns an Aktionen, die zum Beispiel in Brüssel durchgeführt werden, zu beteiligen. Da können wir – gemeinsam mit den anderen – auch europäisch Gesicht zeigen.

Was ist das Ziel der Kampagne?
Unser Ziel ist eine umfassende Regulierung der Finanzmärkte. Da geht es um viele finanztechnische Regeln, die aber ein Ziel haben: den Finanzsektor wieder in eine verantwortungsvolle Dienstleistungsfunktion für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Beschäftigung zu bringen. Spekulation, Blasenbildung, Wetten und unvorstellbare Gewinne für Banken und Finanzinvestoren sollen strikt unterbunden werden.

Die Kampagne fordert unter anderem ja auch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Wie wirkt diese Steuer und wer würde sie bezahlen?
Die Finanztransaktionssteuer wird auf alle Wertpapiergeschäfte an Börsen und außerhalb von Börsen und auf Devisenumsätze erhoben. Sie ist eine Art Umsatzsteuer, die beim Kauf und Verkauf von Aktien, Anleihen, Währungen und allen Arten von Derivaten anfällt. Bezahlt würde sie vor allem von gewerblichen institutionellen Spekulanten. Also von Hedge Fonds, aber auch von Investmentfonds, Pensionsfonds und Versicherungen. Auch die Banken müssen im Rahmen des sogenannten Eigenhandels zahlen, also dann, wenn sie Aktien und Derivate nicht für Kunden, sondern auf eigene Rechnung kaufen, um damit zu spekulieren.
Ich nenne die Finanztransaktionssteuer deshalb einfacher – und genauso richtig -Spekulationssteuer. Denn sie wäre auf jede einzelne Finanztransaktion fällig und würde diese verteuern – so wie die Mehrwertsteuer die Anschaffung einer neuen Waschmaschine oder eines Autos verteuert. Nur: Die neue Waschmaschine behält man viele Jahre, während der Spekulant seine Wertpapiere oft mehrmals am Tag umschichtet. Weil er dabei jedes Mal die Steuer auf den Tisch legen muss, soll ihm die Lust an der Spekulation vergehen.

Würde eine Finanztransaktionssteuer nicht die deutschen Unternehmen mit höheren Kosten belasten, was dann in der Folge die Arbeitsplätze gefährden könnte?
Nein; denn insgesamt gilt, dass langfristig orientierte Anleger bei einem relativ geringen Steuersatz nur wenig belastet werden. Wenn zum Beispiel ein Unternehmen Währungen kauft, um dauerhaft im Ausland zu investieren, ist das eine sehr langfristige Anlage. Ähnliches gilt für Kurssicherungsgeschäfte, sofern ihnen eine reale Warenlieferung zugrunde liegt. Hier wird die Steuer kaum ins Gewicht fallen. Sollte – wider Erwarten -ein höherer Steuersatz kommen, kann man in solchen Fällen sogar an eine Rückerstattung denken. Wichtig ist viel eher, dass Unternehmen keine Bank mit angegliederter Produktion sein sollen. Sie sollen in Maschinen und Anlagen investieren. Wenn sie spekulieren, können sie auch zahlen.

Wie realistisch ist es, dass eine solche Steuer eingeführt wird?
Die Spekulationssteuer war noch nie so realistisch und auch so nötig wie heute. Zur Zeit verändert sich die politische Gemengelage dauernd. Die Bundeskanzlerin hat ihre Haltung zur Finanztransaktionssteuer innerhalb weniger Tage diametral geändert. Ende Juni treffen sich die G20 in Kanada. Auch da werden Spekulationssteuer und Bankenabgabe Thema sein. Wenn die USA sich ihrer Finanzlobby beugen und nicht mitmachen, ist die Steuer auch nur auf europäischer Ebene sinnvoll und machbar. Weil steuerliche Bestimmungen in der EU einstimmig getroffen werden müssen, kann die Spekulationssteuer zunächst auch in einer „Kooperation der Willigen“ eingeführt werden. Das können – wenn die neue konservativ / liberale Regierung in Großbritannien nicht mitmachen will – die Staaten des Euroraums sein. Die Finanzminister der Euroländer haben sich im Mai jedenfalls hinter die Finanztransaktionsteuer gestellt.

Wie können sich die IG Metall-Funktionäre und Mitglieder beteiligen?
Sie können der Kampagne namentlich und persönlich beitreten. Wenn nicht nur die IG Metall als Organisation beteiligt ist, sondern Mitglieder und Funktionäre persönlich Engagement für die Finanzmarktkontrolle bekunden, kriegt die Kampagne viel mehr Power. Außerdem gibt es auf der Kampagnen Homepage „europeansforfinancialreform.org“ alle Informationen über die laufenden Finanzmarktreformen und Initiativen in der EU und einen Kalender, der über aktuelle Termine informiert. Mehr kann noch kommen; denn wir sind ja erst im Aufbau.

mehr zur Kampagne „Regulate Global Finance Now“
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