Interview mit Roland Kaiser
Ich habe Angst um Europa

Roland Kaiser ist einer der erfolgreichsten Schlagersänger. Und – was die wenigsten wissen – er ist auch ein politischer Kopf, Sozialdemokrat, Pegida-Gegner und in zahlreichen Ehrenämtern aktiv.

4. März 20164. 3. 2016


Prominente können überraschen. Einer von ihnen ist Roland Kaiser. Der 63-Jährige singt von Liebe und von Gefühlen. Schön, sagen die einen. Zu seicht, die anderen.


Politischer Kopf

Musik ist Geschmacksache. Politik ist Haltung. Im Gespräch ist Kaiser alles andere als seicht. Der Schlagersänger findet den richtigen Ton und sagt seine Meinung zu Irrtümern der Politik und zu sozialen Missständen. In seiner Rede auf einer Anti-Pegida-Demonstration in Dresden rief er zu mehr Toleranz auf. Damit überraschte er nicht nur seine Fans.


Herr Kaiser, ich möchte mit Ihnen über Politik und Ehrenamt reden, weniger über Schlager und Schicksal.

Roland Kaiser: Gerne, freue ich mich drauf.

Ihre Pflegemutter war Raumpflegerin bei Willy Brandt im Kurt-Schumacher-Haus in Berlin ...

Kaiser (lacht): ... sie hat meine Schwester und mich oft auf die Arbeit mitgenommen. Aber ob es stimmt, dass ich auf Willy Brandts Schoß gesessen habe, weiß ich nicht. Meine Pflegemutter hat das immer erzählt.


Sind Sie deshalb Sozialdemokrat geworden?

Ich war immer ein politischer Mensch. Ich bin im Berliner Arbeiterviertel Wedding aufgewachsen. In den 1980ger-Jahren haben wir in gestrickten Pullis in WGs gesessen, über Che Guevara geredet und die Welt verbessert. Ich bin Arbeiterkind. Da war es irgendwann klar, dass ich in die SPD eintrete.


Warum singen Sie dann Schlager, nichts Politisches?

Ich will das nicht. Ich will mit meinen Liedern unterhalten. Nicht mehr und nicht weniger.


Der Star lebt mitten in Münster. Die westfälische Stadt symbolisiert Bodenständigkeit genauso wie Kaisers Freizeitdress: Jeans, kariertes Hemd und schwarze Weste.

Keine Allüren
Privat ist Kaiser ein Normalo: Er bringt das Altglas weg, geht einkaufen und mit dem Dackel spazieren. „Ich bin der Komparse meiner Frau“, sagt er lachend. Auch seine drei Kinder (16, 19 und 25 Jahre) erden ihn. Als sie noch kleiner waren, sei es den Kindern egal gewesen, ob sich die Schallplatte schlecht verkauft, wenn sie Zeit zum Spielen einforderten.


Interessieren sich Ihre Kinder für Politik?

Ja. Alle drei.Wir reden am Esstisch über Politik.


Was sagen Ihre Kinder zum Thema Geflüchtete?

Die drei vertreten meine Meinung. Aber sie haben auch Ängste: Vor allem nach den Vorfällen am Kölner Bahnhof. Und ich finde diese Ängste und Sorgen muss man ernst nehmen.


Was ist denn Ihre Meinung? Was halten Sie denn von der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung?

Ich halte sie für richtig. Wir schaffen das. Aber es wird nicht einfach. Kulturelle und ethnische Vielfalt bieten viele Chancen. Wir sollten stolz darauf sein, dass wir Männern, Frauen und Kindern aus Krisengebieten ein Leben in Sicherheit und Freiheit ermöglichen können. Das macht doch unsere Demokratie aus. Das Recht auf Asyl ist ein Grundrecht. Und unser Wertesystem basiert auf Nächstenliebe.

Das sehen leider nicht alle so. Vor einem Jahr haben Sie in Dresden auf einer Anti-Pegida-Demo gesprochen.

Ich fühlte mich verpflichtet, zu Toleranz und zum Dialog aufzurufen. Mir ist es wichtig, gegenzusteuern. Farbe zu bekennen, gegen Fremdenhass und gegen Pegida.


Sie würden diese Rede also heute nochmal halten, auch wenn Sie damit Ihre Fans vergraulen könnten?

Zum einen wäre mir das egal, und zum andern denken viele meiner Fans wie ich: Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit haben in einer Demokratie nichts verloren. Ich würde diese Rede immer wieder halten.


Können Sie sich einen Dialog mit Pegida vorstellen?

Es war richtig, dass Vizekanzler Sigmar Gabriel im vergangenen Jahr mit Pegida-Anhängern gesprochen hat. Politiker sollten auch die AfD nicht ausgrenzen. Aber man muss sie mit ihren eigenen Argumenten demaskieren. Das macht eine Demokratie doch aus, der Dialog.


Können Sie die Sorgen der Menschen angesichts der vielen Geflüchteten verstehen?

Auch ich mache mir Sorgen. Ich habe Angst um Europa. Vor allem in Osteuropa gibt es einen Rechtsdruck. Ich bin zwar sicher, dass wir mit Frank-Walter Steinmeier den besten Außenminister der Welt haben. Aber alles kann er auch nicht richten. Wir müssen unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat schützen – gegen Terror, gegen Rechte, gegen jeden Angriff.


Der Außenminister, der Vizekanzler und der Schlagersänger sind befreundet. Eine Freundschaft, die auf den gleichen Werten basiert, sozialen Werten.

Anwalt der Schwachen
Kaiser ist engagiert. Die Liste seiner Ehrenämter ist lang. Sie reicht von den Albert-Schweitzer-Kinderdörfern bis zur Rudolf Pichlmayr Stiftung. Er ist Botschafter für das Kinderhospiz Mitteldeutschland, „Schrittmacher“ der Tom Wahlig Stiftung und der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Und seit Kurzem ist er bei der Cottbuser Tafel aktiv.


Warum setzen Sie sich für Menschen am Rand der Gesellschaft ein?

Das wird mir immer wichtiger. Mindestens zwei Tage die Woche arbeite ich ehrenamtlich in Projekten. Ich bin in der glücklichen Lage,dass ich Musik machen kann, weil es mir Spaß macht. Ich arbeite ehrenamtlich,weil ich der Meinung bin, dass jeder von uns die Welt ein kleines bisschen besser machen kann.


Roland Kaiser, der Weltverbesserer?

Eben nicht. Aber ich finde, dass Menschen wie ich, mit denen es das Leben gutmeint, davon etwas weitergeben sollten. Meine Arbeit bei der Cottbuser Tafel zeigt mir, dass immer mehr Menschen, die Vollzeit arbeiten, davon nicht leben können. Starke Gewerkschaften sind deshalb wichtiger denn je. Chancengleichheit – für meine Generation galt das noch – heute leider nicht mehr. Das fängt schon damit an, dass immer mehr Eltern die Nachhilfe ihrer Kinder nicht finanzieren können. Aber die Banken, die werden immer reicher. Das regt mich auf.

Resignation angesichts der vielen sozialen Probleme?

Nein, gar nicht. Ich engagiere mich ja, damit es ein kleines bisschen besser wird.Und das sollten meiner Meinung nach viel mehr Menschen tun.

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