Interview mit Johannes Remmel, Umweltminister in Nordrhein-We...
Vom Kohlenpott zum Zukunftsleitmarkt für Klimaschutz

Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen will die Treibhausgas-Emissionen drastisch senken. Der früher Kohlenpott soll zu einem führenden Anbieter von Spitzentechnologie auf dem Zukunftsmarkt Klimaschutz werden. Im Interview erläutert Johannes Remmel, grüner Umweltminister in ...

12. Dezember 201212. 12. 2012


... Nordrhein-Westfalen, die Politik der Landesregierung.

Welche Zukunft hat die Kohle im Bundesland Nordrhein-Westfalen, zu dessen industriellem Zentrum der „Kohlenpott“ gehört?
Johannes Remmel: Zurzeit hat sie noch einen Anteil von über 72 Prozent an der Bruttostromerzeugung, davon Braunkohle 41 Prozent. Erneuerbare Energie trägt erst mit zehn Prozent zum Energiemix bei. Der Steinkohle-Bergbau läuft ja 2018 aus. Die derzeitigen Braunkohle-Tagebaue haben längstens eine Genehmigung bis 2045. Zurzeit sind 15 neue Kraftwerks-Projekte in Planung oder im Bau, darunter fünf Steinkohle-, acht Gas- und Dampf-Kraftwerke und zwei Pumpspeicher-Kraftwerke. Das vollzieht sich nicht ohne Schwierigkeiten. Laut den Szenarien, die die Bundesregierung zur Grundlage ihres Energiekonzepts gemacht hat, soll beispielsweise der Braunkohle-Anteil bei der Stromerzeugung bis 2030 auf die Hälfte und der Steinkohleanteil auf ein Viertel zurückgehen.

Kohle spielt also in Zukunft keine große Rolle mehr. Sie als Grüner müssen froh sein, wenn die CO2-Schleudern verschwinden?
Ich freue mich natürlich, wenn wir beim Klimaschutz weiterkommen, aber mir sind auch die Arbeitsplätze und Zukunftsperspektiven der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wichtig. Übrigens hat die Industrie in NRW die CO2-Emissionen seit 1990 schon um 40 Prozent reduziert. Was die Kohle-Kraftwerke betrifft: Viele Energieversorgungsunternehmen sagen selbst: Die 2006 bis 2008 geplanten Kohle-Kraftwerke würden Investoren unter den heutigen Bedingungen nicht mehr auf den Markt bringen wollen, weil sie nicht wirtschaftlich sind. Sie rechnen sich nur, wenn sie rund um die Uhr laufen. Und das ist nicht mehr der Fall, wenn Erneuerbare Energien beim Einspeisen von Strom ins Netz immer Vorrang haben.

Und was ist die Alternative?
Wir brauchen in Zukunft Kraftwerkstypen, die die Versorgungssicherheit herstellen, das heißt, die einspringen, wenn nicht genug Wind weht oder die Sonne nicht scheint. Wir brauchen viele Speicherkapazitäten und Kraftwerke, die hocheffizient sind, möglichst dezentral und schnell regelbar. Und das sind in der Regel Gas-Kraftwerke, die Strom und Wärme erzeugen.

Die lassen aber auf sich warten. Warum passiert da so wenig?
Es wird nicht investiert, weil den Investoren die Planungssicherheit fehlt. Das gilt für Gas- genauso wie für Pumpspeicher-Kraftwerke. Spätestens im nächsten Jahr muss darum bundesweit die Entscheidung fallen, wie künftig das Strommarktdesign aussehen wird, um endlich Investitions- und Planungssicherheit herzustellen. Bei einem Anteil von inzwischen rund 25 Prozent erneuerbarer Energie kann man nicht mehr von Markteinführung sprechen, sondern es geht um Marktgestaltung. Die Fragen dabei sind: Wie bekommen wir das möglichst kostengünstig für die Verbraucher hin? Und wie gelingt es uns, am Strommarkt eine Wettbewerbsstruktur so herzustellen, dass Investitionen stattfinden?

In NRW gibt es große Stahlwerke. Hält ein grüner Politiker wie Sie die Ausnahmen für energieintensive Unternehmen bei der Förderung der Erneuerbaren Energie, Beispiel EEG-Umlage, eigentlich für richtig?
Wir brauchen die energieintensiven Unternehmen am Anfang einer Wertschöpfungskette. Auch, um klimafreundliche Produkte herzustellen. Zum Beispiel die Aluminiumindustrie, um leichtere Fahrzeuge zu produzieren, und die Stahlindustrie, um Windenergieanlagen zu bauen. Ich bin nicht dafür, die Ausnahmeregelungen abzuschaffen. Aber man muss das differenziert sehen. Die Ausnahmen müssen sich auf Unternehmen beschränken, die im internationalen Wettbewerb stehen.

Außerdem müssen die Ausnahmen an die Bedingung geknüpft werden, dass die Unternehmen ein effektives Energiemanagementsystem einführen. Sie müssen den Nachweis erbringen, dass sie alle technologischen Möglichkeiten ergreifen, um Energie effizient, also sparsam, einzusetzen. Viele große Unternehmen tun das ja schon. Aber grundsätzlich gilt: Wir wollen die Produktion an den hiesigen Standorten halten und international wettbewerbsfähig bleiben.

Was hat denn die rotgrüne Landesregierung von NRW für Pläne, damit die Energiewende gelingt?
Wir strengen uns erstens massiv an, um unsere Potenziale bei der Kraft-Wärme-Kopplung zu nutzen. Wir wollen eine effiziente dezentrale Energieversorgung erreichen. Das Interessante in Industrieregionen ist ja, dass wir hier Strom- und Wärmeproduktion zusammen denken können. Das ist ein verkanntes Juwel. Der Wärmemarkt macht 40 Prozent des Energiebedarfs aus. Zweitens bauen wir die Erneuerbare Energie aus. Und drittens schaffen wir hocheffiziente flexible Kraftwerke und Stromspeicher.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat das erste deutsche Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht und darin verbindliche Ziele festgelegt. Die Treibhausgas-Emissionen sollen bis 2020 um 25 und bis 2050 um mindestens 80 Prozent verringern werden. Wir haben schon 2011 ein Klimaschutz-Start-Programm beschlossen. Das Paket enthält 22 Einzelmaßnahmen und hat ein Volumen von mehreren hundert Millionen Euro an Fördergeldern und Krediten. Wir haben ein Investitionsprogramm im Koalitionsprogramm vereinbart: 50 Millionen Euro fließen in den nächsten Jahren in die Kraft-Wärme-Kopplung. Wir beraten die Kommunen intensiv. Es gibt zwei große Investitionsvorhaben in der Eifel und in Ostwestfalen in Höhe von über einer halben Milliarde Euro. Dabei geht es um Pumpspeicher-Kraftwerke. Wir unterstützen Überlegungen der RAG (Deutsche Steinkohle-Aktiengesellschaft) durch eine Machbarkeitsstudie. Dabei geht es um Pumpspeicher-Kraftwerke auf Halden oder unter Tage. Und wir arbeiten mit Stadtwerken und Wasserverbänden zusammen, um an Talsperren Pumpspeicher-Kraftwerke zu installieren.

Neben dem Klimaschutzgesetz gibt es in NRW einen Klimaschutzplan. Worum geht es dabei?
Dass Gesellschaft und Politik die Energiewende und den Klimaschutz als Gemeinschaftsaufgabe betrachten. Wir wollen die Kräfte bündeln. Es soll ein transparenter, Prozess werden, an dem alle betroffenen gesellschaftlichen Gruppen – wie Industrie, Gewerkschaften, Umweltverbände und Vertreter der Bürger – mitwirken.

NRW hat ja schon einen massiven Strukturwandel hinter sich. Was bedeutet die Energiewende für die Wirtschaftsstruktur und die Arbeitsplätze?
Schon jetzt sind in NRW allein in Betrieben der Erneuerbaren Energie über 26 000 Menschen beschäftigt. Da ist noch Luft nach oben.
Viele chemische Unternehmen und Maschinenbauer produzieren heute schon für die Branche der Erneuerbaren Energien. In den vergangenen 100 Jahren haben unsere technologischen Sprünge fast immer etwas mit Energie zu tun gehabt. NRW bietet mit seiner starken industriellen Basis gute Voraussetzungen, um Klimaschutz-Technologien und -verfahren zu entwickeln. Wir müssen uns auf unsere Zukunftsleitmärkte konzentrieren. Ich sehe unsere Zukunft darin, dass wir die Klimaschutzinfrastruktur und die Produkte dafür liefern. Wir bieten technologische Lösungen, effiziente Maschinen und chemische Dämmstoffe. „Klimaschutz made in NRW“ kann zu einer starken Marke mit großen Wettbewerbsvorteilen werden. Die Landesregierung fördert und unterstützt das aktiv.

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