Interview mit Irene Schulz
Für die IG Metall begeistern macht Spaß

Irene Schulz ist seit November 2013 geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall und unter anderem für Mitgliederprojekte zuständig. Im Interview erzählt sie, warum es wichtig ist, dass sich Belegschaften organisieren.

27. Mai 201427. 5. 2014


Irene, Du bist im vergangenen Herbst in den geschäftsführenden Vorstand der IG Metall gewählt worden.Was siehst Du als wesentliche Aufgabe im neuen Fachbereich Mitglieder und Erschließung?

Irene Schulz: Als IG Metall stehen wir für gute Arbeit. Hier sind wir erfolgreich, weil und wenn wir in den Betrieben gut organisiert sind. Die Mitglieder werden in den Betrieben und den Verwaltungsstellen gewonnen. Diese Arbeit vor Ort gut zu unterstützen, ist unsere Aufgabe. Gemeinsam mit meinem Team entwickeln wir Projekte und Initiativen, um die Mitgliedergewinnung und Erschließungsarbeit zu unterstützen.

Im Mai startete die IG Metall eine große Werbeaktion. Warum?

Die Mitgliederzahlen steigen. Das zeigt, dass Vertrauensleute, Betriebsräte, Ehrenamtliche und auch die Verwaltungsstellen einen guten Job machen. Wir sind zeitgemäß und nah dran an den Themen in den Betrieben, Menschen finden den Weg zu uns. Aber darauf können wir uns nicht ausruhen.

Was meinst Du damit?

Im Herbst beginnt die Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie. Mit den Ergebnissen der IG Metall-Beschäftigtenbefragung haben uns die Mitglieder und Belegschaften Themen mit auf den Weg gegeben, die wir als Gewerkschaft besser regeln sollen. Ob flexible Arbeitszeit, Weiterbildung und berufliche Entwicklung, aber auch alters- und alternsgerechtes Arbeiten, Altersübergang sowie Vereinbarkeit. Das sind dicke Bretter, die wir in den nächsten Jahren bohren wollen. Das schaffen wir nur, wenn wir in den Betrieben durchsetzungsfähig sind und organisierte Beschäftigte hinter uns stehen.

Wir wollen also gut aufgestellt in die Offensive gehen?

Richtig. Dafür brauchen wir Metallerinnen und Metaller, die die Mitgliederfrage immer auf dem Schirm haben. Mit der Werbeaktion wollen wir darauf aufmerksam machen. Wir wollen auch die wertschätzen, die dafür sorgen, dass die IG Metall eine starke Organisation ist und bleibt.

2013 beteiligten sich viele Menschen an unserer Werbeaktion, die keine Ämter oder Funktionen bei der IG Metall haben.

Stimmt. 4500 Werber, die weder Betriebsräte noch Vertrauensleute sind, haben mitgemacht und neue Mitglieder gewonnen. Metallerinnen und Metaller, die wissen, wie wichtig es ist, stark zu sein, um gemeinsam etwas zu erreichen. Das hat mich ganz besonders gefreut.

In Berlin hast Du erfolgreich Beschäftigte aus demA ngestelltenbereich organsiert. Wie hast Du das geschafft?

Ich habe im Angestellten- und Entwicklungsbereich ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Etwa als der Siemens-Konzern ankündigte, seine IT-Sparte auszugliedern. Viele Beschäftigte bei Siemens IT Solutions and Service hatten bis dahin keine Erfahrung mit uns. Wir schafften es, viele Menschen zu überzeugen, dass wir als IG Metall als starker Partner an der Seite der Betriebsräte und der Beschäftigten stehen und viel Know-how in eine solche Auseinandersetzung einbringen.

Gab es einen Schulterschluss mit der IG Metall?

Unbedingt. Gemeinsam entwickelten wir die Protestform eines „Lunch Walks“. Mehrere Wochen spazierten die Beschäftigten in ihrer Mittagspause vor dem Verwaltungsgebäude und protestierten gegen die geplante Ausgliederung.

Hast Du ein Patentrezept für alle Werberinnen und Werber?

Leider nicht. Mitglieder zu gewinnen ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Nichtmitglieder wissen oft gar nicht, wofür die IG Metall steht. Dir muss es Spaß machen, die Menschen anzusprechen und für die gemeinsame Sache zu begeistern. Wir als IG Metall setzen gesunde und faire Arbeitsbedingungen, gute Arbeitszeitregelungen und höhere Einkommen nur gemeinsam mit unseren Mitgliedern durch. Jeder Erfolg ist eine neue Motivation und Anerkennung für das Engagement unserer aktiven Metallerinnen und Metaller.

Gibt es weiße Flecken, in denen die IG Metall nicht präsent ist?

Es gibt zu viele Betriebe, die nicht gut organisiert sind oder keinen Betriebsrat haben. Das wollen wir ändern.

Wie?

Wir fragen die Beschäftigten in solchen Betrieben, wie wir gemeinsam die Arbeitsbedingungen verbessern könnten. Aber wir sagen auch klar, dass das nur mit den Belegschaften klappt, die sich der Gewerkschaft anschließen.

Hast Du ein gutes Beispiel?

Unsere Aktivitäten beim Windenergiekonzern Enercon. Unter schwierigen Bedingungen ist es gelungen, an neun Servicestandorten Betriebsräte zu wählen. Die Beteiligung lag bei über 70 Prozent. Eine starke Rückendeckung für die neue Interessenvertretung. Ich habe sehr großen Respekt vor den Kandidaten, die sich trotz des hohen Drucks seitens der Geschäftsleitungen aufstellen ließen.

Diese Vorgehensweise heißt Organizing.

Genau. Das Erschließen der weißen Flecken, der Betriebe, die noch keinen Betriebsrat haben, nennen wir so. Die IG Metall unterstützt seit einigen Jahren die Beschäftigten in solchen Betrieben mit neuen Methoden.

Mit Erfolg?

Ja. In Windenergiebetrieben ist es uns gelungen, Betriebsratswahlen durchzuführen und mit Tarifverträgen deutlich bessere Entgelte und Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zu verhandeln.

Was sind die nächsten weißen Flecken, die die IG Metall sich vorknöpfen will?

In den erneuerbaren Energien gibt es noch zahlreiche Betriebe ohne Betriebsrat. Auch an vielen Automobilstandorten gibt es im Bereich Produktionslogistik Betriebe, die wir uns genauer anschauen wollen. Projekte gibt es zum Beispiel schon in Ingolstadt und Leipzig. Dort sprechen wir die Menschen an. Doch wir können in solchen Betrieben nur gemeinsam etwas erreichen. Je mehr Beschäftigte in der IG Metall sind, desto mehr Druck können wir machen und bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen.

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