22. September 2016
Linde Hydraulics
Nach der Krise neu aufgestellt
Die Globalisierung hat bei Linde Hydraulics tiefe Spuren hinterlassen. Nach dem Einstieg eines chinesischen Investors kamen Unternehmensziele ins Wanken, 300 Jobs fielen weg. Der Betriebsrat hat diesen Prozess mit Weitsicht und direkter Kommunikation steuern können.

Die Beschäftigten von Linde Hydraulics haben bewegte Zeiten hinter sich. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Aschaffenburg und drei weiteren Werken wurde von einem Finanzinvestor geführt, bevor es 2013 an einen chinesischen Großinvestor verkauft wurde. 90 Prozent von Linde Hydraulics gehören jetzt Weichai Power. Anfänglich ging Weichai Power davon aus, dass es auch in Europa zweistellige Wachstumsraten erreichen kann, wie sie in China üblich waren. Bis 2020 wollte das Unternehmen in Deutschland eine Milliarde Umsatz erwirtschaften und setzte einen entsprechenden Businessplan auf.

Aber schon nach kurzer Zeit stellte sich heraus, dass es viel zu breit aufgestellt ist. Die Umsatzerwartungen blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Das führte ab April 2013 dazu, dass Kurzarbeit eingeführt wurde. „Wir haben uns seither redlich durchmanövriert – Kurzarbeit, Zeitkonten ausschöpfen, Arbeitszeit absenken“, sagt Oliver Polomsky, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Linde Hydraulics. Aber Mitte 2014 verlangte das Management einen Personalschnitt. „Seit Januar 2015 müssen wir sukzessive 300 Stellen abbauen, das sind 25 Prozent der Belegschaft. Das war für alle eine bittere Erfahrung nach dem grandiosen Start und der großen Hoffnung auf eine langfristig gesicherte Zukunft in einem gesunden Unternehmen“, so Polomsky.

Eine weitere Erfahrung war, dass der chinesische Eigentümer trotz allem auf einen guten Umgang mit den Arbeitnehmervertretern und der Belegschaft setzt. „Man muss sagen, dass der Personalabbau unter fairen Bedingungen von statten ging“, resümiert der Linde Hydraulics-Gesamtbetriebsratsvorsitzende. „Wir konnten eine Gesamtbetriebsvereinbarung treffen, die die Kriterien eines Sozialplans erfüllt – mit gut ausgestatteter Transfergesellschaft, Abfindungen und Freiwilligenprogramm. Das Management hat nicht versucht, auch noch den letzten Euro einzusparen. Der Umgang untereinander war unter den gegebenen Umständen fair.“

Inzwischen hat das Unternehmen die Weichen neu gestellt. Es gibt einen veränderten Businessplan, der sich an realistischeren Prognosen ausrichtet, und der auch bei den Banken hinterlegt ist. Auf ihn fußt die Gesamtbetriebsvereinbarung „Neustrukturierung“, die den Ausgleich der Interessen für die jetzigen Umstrukturierungen und Personalabbaumaßnahmen regelt. Darin konnte der Gesamtbetriebsrat überdies auch einen Zukunftstarifvertrag verankern, der inzwischen abgeschlossen ist und betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. „Der Dreh- und Angelpunkt ist für uns die Sicherung der Arbeitsplätze und Einkommen in Deutschland“, sagt Polomsky.

Die Chinesen verfolgen weiterhin ein kluges und auf Nachhaltigkeit angelegtes Investitionskonzept. Die Produkte, die Linde Hydraulics herstellt, ergänzen das Produkt-Portfolio von Weichai Power. Der Konzern baut unter anderem selbst Motoren und Getriebe und vertreibt Antriebsstränge, die dann in die Fahrzeuge (LKWs, Reisebusse, Straßenbaumaschinen usw.) der Shandong Heavy Industry Group eingebaut werden, einem Zusammenschluss von Maschinenbauunternehmen aus der Provinz Shandong. Dafür werden unter anderem auch hydraulische Pumpen und Motoren gebraucht.

Zahlreiche Firmenzukäufe in anderen europäischen Ländern weisen darauf hin, dass der Konzern einen Investitionsplan verfolgt, um sich langfristig auf dem europäischen Markt zu etablieren. Der Betriebsrat legt großen Wert darauf, dass das Kerngeschäft und die Kernkompetenzen hier in Deutschland verbleiben. Bei den Premium-Produkten gibt es dazu bislang klare vertragliche Regelungen. Besonders wichtig ist dem Betriebsrat jedoch die direkte Kommunikation mit dem Management und den Beschäftigten. Hier profitiert er von dem traditionell guten Draht, den chinesische Unternehmen in der Regel zu Arbeitnehmervertretern unterhalten.


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