30. November 2009
Hörmann Automotive Compenents, Gustavsburg
Gewinnbeteiligung für Beschäftigte – Kurzarbeit sichert Jobs
Trotz massiver Auftragseinbrücke verzichtet der LKW-Nutzfahrzeugzulieferer Hörmann bis Ende 2010 darauf, seinen Beschäftigten zu kündigen. Stattdessen nutzt das Unternehmen die Kurzarbeit für volle 24 Monate. Und: Die Arbeitnehmer verzichten zwar auf das nächste Weihnachts- und Urlaubsgeld, ...

... dafür wird ihnen künftig 13 Prozent des Gewinns ausgeschüttet.

Bei Hörmann Automotive Components, vormals MAN, im hessischen Gustavsburg verzichten die Beschäftigten dieses Jahr wegen massiver Auftragseinbrüche auf ihr Weihnachtsgeld sowie auf Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld im nächsten Jahr. Aber nicht umsonst: Im Gegenzug bekommen sie eine Kapitalbeteiligung. Künftig werden 13 Prozent der Umsatz-Rendite an die Belegschaft ausgeschüttet – mindestens bis zum Jahr 2022.
Zunächst hatte der Arbeitgeberverband interveniert, um diese Vereinbarung zu verhindern. Doch seit Mitte November ist die Tarifregelung unterzeichnet.
„Die wollten nicht, dass das Schule macht“, meint der Hörmann-Vertrauenskörperleiter José Fernandez. „Deshalb haben die der Geschäftsführung ins Handwerk gepfuscht. Bei uns im Betrieb war ja schon alles geregelt. Auch mit der IG Metall vor Ort. Da hat niemand von oben reingeredet.“

Arbeitgeber fordern Opfer
Dabei hat der Arbeitgeberverband selbst den Stein ins Rollen gebracht: Ein Pforzheim-Tarifvertrag mit Verzicht auf Sonderzahlungen – als Bedingung für die Verlängerung der Kurzarbeit.
„Einen Tag nach Abschluss unserer Verhandlungen tauchte plötzlich ein Anwalt vom Arbeitgeberverband auf“, erzählt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Musa Özmert. „Die wollten uns zwingen, auf sieben Millionen Euro Weihnachts- und Urlaubsgeld zu verzichten. Sonst gebe es keine Verlängerung der Kurzarbeit.“
Doch der Betriebsrat hat nicht klein beigegeben. Die Kurzarbeit ist verlängert. Die 4,2 Millionen Euro bekommt das finanziell gebeutelte Unternehmen zur Überbrückung der Krise – aber nicht umsonst, machte der Betriebsratsvorsitzende Thomas Müller der Arbeitgeberseite klar: „Wir haben gesagt: Wir haben nichts zu verschenken. Wir geben Euch das Geld, wenn Euch die Bank nichts gibt. Aber dafür wollen wir als Investoren behandelt werden.“

Arbeitsplätze trotz massiver Krise gesichert
Der Einbruch bei Hörmann letztes Jahr im Herbst kam plötzlich. Raus aus dem Mega-Boom der Nutzfahrzeug-Branche mit Arbeit rund um die Uhr, rein in die Krise, von heute auf morgen, erinnert sich Musa Özmert: „Ich war damals zwei Wochen im Urlaub. Vor dem Urlaub haben wir noch über Überstunden debattiert – und als ich wiederkam, hieß es: Morgen ist Kundgebung gegen Jobabbau.“
Neue Aufträge blieben aus. Ein Problem: Die LKW-Spediteure bekamen plötzlich keine Kredite für Neuaufträge von den Banken mehr. Bestehende Aufträge wurden massenweise storniert. Die Aufträge im Hörmann-Werk, das insbesondere Rahmenlängsträger und Chassisteile an MAN und Daimler liefert, brachen um die Hälfte ein. Aber: Die Jobs der Beschäftigten sind vorerst gesichert: Die Kurzarbeit, die seit Ende 2008 läuft, ist bis November 2010 verlängert worden. Damit schöpft Hörmann die rechtlich maximal möglichen 24 Monate Kurzarbeit voll aus. Zudem erhalten die Beschäftigten eine Aufzahlung auf ihr Kurzarbeitergeld auf 90 Prozent ihres üblichen Nettoentgelts.
Ursprünglich wollte die Werksleitung 305 der 880 Beschäftigten entlassen, um die Sparvorgabe der Unternehmensspitze von 16 Millionen Euro zu erreichen. Doch der Betriebsrat setzte sein Alternativkonzept mit einer intensiven Nutzung der Kurzarbeit durch, drohte mit Kampf. „Die wussten, dass wir es ernst meinen“, betont Müller..

Hörmann-Betriebsräte Thomas Müller, Musa Özmert, Christian Walter und Giuseppe Petrondi in der Blechbearbeitung. Foto: Martin Leissl.
Hörmann-Betriebsräte Thomas Müller, Musa Özmert, Christian Walter und Giuseppe Petrondi.


Ihre Kampffähigkeit hat die Belegschaft bewiesen, als das Werk vor zwei Jahren von MAN an Hörmann verkauft wurde. Mit dem Rückenwind öffentlichkeitswirksamer Aktionen konnte der Betriebsrat zahlreiche Bedingungen beim Verkauf durchsetzen: Keine betriebsbedingten Kündigungen, die Sicherung von MAN-Aufträgen für die nächsten Jahre, festgeschriebene Investitionen von 70 Millionen Euro ins Werk – und den Erhalt der vollen Mitbestimmung auf Unternehmensebene. Unerhört für einen Mittelständler wie Hörmann. Dieser Erfolg der Beschäftigten wirkt bis heute nach.
„Die haben auch einfach einsehen müssen: Mit 305 Beschäftigten weniger ist die komplexe Produktion praktisch kaum noch aufrechtzuerhalten“, erzählt Musa Özmert. „Faktisch hätten wir den Laden dann zumachen können. Die haben eben rein betriebswirtschaftlich gerechnet.“

Kurzarbeit belastet die Beschäftigten
Natürlich: Kurzarbeit ist besser als Entlassungen. Dennoch ist Kurzarbeit auch eine Belastung für die Beschäftigten. Die finanziellen Einbußen hat der Betriebsrat seit April durch die Aufzahlung abgemildert. Doch auch die psychische Belastung durch die Ausfallzeiten ist enorm – besonders in der Dauerkurzarbeit. Der Betriebsrat hat viele Einzelgespräche geführt.
„Wochenlang ohne Arbeit zu Hause – damit sind viele nicht zurechtgekommen. Gerade weil in anderen Bereichen noch Arbeit da war“, berichtet Betriebsratsmitglied Giuseppe Petrondi. „Vor allem hat die Geschäftsführung zunächst ’Minderleister’ und Kranke, die schwarzen Schafe in die Kurzarbeit gesteckt. Die hatten natürlich Angst, sie werden abgeschoben – und als erste gekündigt.“
Im Frühjahr hat der Betriebsrat schließlich durchgesetzt, dass die Kurzarbeit fair auf alle verteilt wird – den Betriebsrat selbst eingeschlossen. Oft bleibt der Betrieb für eine komplette Woche ganz geschlossen. Die Angst ist weniger geworden.

Ein Problem bleibt immer noch, dass Qualifikation verloren geht, wenn die Beschäftigten monatelang zu Hause bleiben. Doch mittlerweile hat der Betriebsrat die Geschäftsführung – aber auch die Belegschaft überzeugt und Qualifizierungsmaßnahmen angeschoben. Das nutzt dem Betrieb – aber auch den Beschäftigten – die Fertigkeiten und Abschlüsse erwerben, die auch auf dem Arbeitsmarkt draußen etwas wert sind. 85 Beschäftigte machen jetzt eine Weiterbildung. Viele holen eine komplette Berufsausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer oder zum Teilelagerist im Schnelldurchlauf nach. Einige machen sogar einen Meisterlehrgang.

Flaute im Nutzfahrzeugbau wird andauern
Experten rechnen damit, dass die Nutzfahrzeugbranche noch Jahre brauchen wird, um wieder ihr früheres Niveau zu erreichen. Der Stand der Boomjahre vor der Krise ist in weite Ferne gerückt. Das weiß auch der Betriebsrat in Gustavsburg – und hat vorgesorgt. Vereinbart ist: Auch nach Ende der Kurzarbeit sollen alle Instrumente zur Vermeidung von Entlassungen ausgeschöpft werden, beispielsweise der Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung, der eine reduzierte Arbeitszeit vorsieht. „Schließlich hat das Unternehmen seinen Erfolg im Boom vor der Krise seinen Beschäftigten zu verdanken, die jahrelang in drei Schichten, samstags und sonntags gearbeitet haben“, betont Thomas Müller. „Wir haben der Geschäftsführung klargemacht: Unternehmenssicherung ohne Beschäftigungssicherung geht nicht. Das ist für uns untrennbar verbunden.“

Eines ist dem Betriebsrat völlig klar: All das wäre ohne die Unterstützung der IG Metall – aber vor allem ohne die kampfstarke Belegschaft im Rücken niemals möglich gewesen. Und auch in kommenden Konflikten ist klar: „Niemand macht hier was an uns vorbei.“


Die Auseinandersetzung um den Verkauf von MAN an Hörmann Ende 2007: Aktionen und Ergebnisse (PDF, 1287 KB)


Neu auf igmetall.de

    Link zum Artikel