1. April 2016
Gesundheitsschutz: Stopp bei überlangen Arbeitszeiten
Warum Arbeit Grenzen braucht
Die Ergebnisse sind alarmierend: Laut einer Studie zum DGB-Index Gute Arbeit arbeitet jeder dritte Vollzeitbeschäftigte 45 Stunden pro Woche und mehr. Viele Beschäftigte sind müde und ausgelaugt und gefährden mit überlangen Arbeitszeiten auf Dauer ihre Gesundheit.

Am Anfang, sagt Thomas Urbanek, habe er gedacht, er könne das locker wegstecken. Die Auftragsbücher im Betrieb waren voll, sein Arbeitgeber, Schedl Automotive, bezahlte Überstunden, warum also nicht länger arbeiten, 40, 45, gar 50 Stunden in der Woche? Was soll daran so schlimm sein? Schlimm war zu Beginn gar nichts, das kam erst später, und als es dann da war, wusste Thomas Urbanek, dass er mit seiner Gesundheit gespielt hatte. Dass überlange Arbeitszeiten krank machen. „Ich konnte nicht mehr abschalten, fühlte mich wie gerädert “, sagt der 31-Jährige. „An manchen Tagen bin ich zehn Stunden Gabelstapler gefahren. Wenn ich abends nach Hause kam, war ich total kaputt und verspannt. Für Freunde und Familie gab es keine Zeit.“

Thomas Urbanek ist kein Einzelfall. Überlange Arbeitszeiten, das ergab jüngst eine Studie des Instituts DGB-Index Gute Arbeit, sind keine Seltenheit: Wie die Auswertung zeigt, arbeitet jeder dritte Vollzeitbeschäftigte in Deutschland 45 Wochenstunden und mehr. Etwa jeder sechste arbeite sogar mehr als 48 Stunden pro Woche und überschreite damit die im Arbeitszeitgesetz festgelegte maximale Wochenarbeitszeit. Insgesamt 60 Prozent aller Beschäftigten arbeiten regelmäßig länger, als es im Vertrag steht, und keineswegs immer wird diese Arbeit bezahlt. Die Studie zeigt: Je länger die tatsächliche Arbeitszeit ausgedehnt wird, desto häufiger arbeiten die Beschäftigten zum Nulltarif.


Große Belastungen

Das aber hat Folgen: Je länger täglich und wöchentlich gearbeitet wird, desto stärker steigt das Risiko für die Beschäftigten, zu erkranken oder einen Arbeitsunfall zu erleiden. Das ist keine subjektive Annahme, das ist objektiv nachgewiesen: Arbeitswissenschaftlich ist belegt, dass es einen direkten Zusammenhang gibt zwischen überlangen Arbeitszeiten auf der einen und dem Auftreten gesundheitlicher Beschwerden wie Rückenschmerzen und Schlafstörungen auf der anderen Seite. Lange Arbeitszeiten, das zeigen Studien, sind grundsätzlich mit einem erhöhten Risiko für gesundheitliche Beschwerden verbunden. Mit jeder Stunde Arbeit steigt der Belastungsgrad, dem ein Beschäftigter ausgesetzt ist, an. Eine dauerhafte Beanspruchung der Leistungsreserven kann aber zu chronischer Ermüdung oder etwa zu Herz-Kreislauf- oder Magen-Darm-Erkrankungen führen.

„Die Ergebnisse des DGB-Indexes sind alarmierend“, sagt Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. „Die Arbeitszeit muss wieder auf ein gesundheitsverträgliches Maß reduziert werden.“ Deshalb gehöre sie ganz oben auf die Agenda des Arbeitsschutzes. Da seien Betriebe, Fachkräfte und Betriebsräte gleichermaßen gefordert. „Es gibt viel zu wenig Gefährdungsbeurteilungen und noch weniger, die Arbeitszeiten bewerten und Maßnahmen festlegen.“ Der Schutz der Gesundheit brauche Regeln: „Zeiten müssen erfasst, Höchstgrenzen beachtet, Pausen eingehalten werden“, sagt Urban. Aber auch die Beschäftigten seien gefordert, selbstständig der Kultur des uferlosen Arbeitens und der ständigen Erreichbarkeit Grenzen zu setzen. Klare Regeln bei der Arbeitszeitgestaltung und garantierte Ruhephasen – das gibt es mittlerweile auch für Thomas Urbanek. „Wir haben besseres Arbeitsmaterial und mehr Kollegen bekommen“, sagt er. „Heute mache ich kaum noch Überstunden. Gesundheitlich geht es mir seither viel besser.“


Stress-Bürometer: Psychische Belastungen am Arbeitsplatz aufspüren Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz

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