14. April 2014
Arbeitsbedingungen: DGB-Index offenbart besorgniserregende Zahlen
Stress und Zeitdruck Grenzen setzen
Die neuen Befunde des DGB-Index Gute Arbeit offenbaren: Die Mehrheit der Beschäftigten in Deutschland arbeitet gehetzt, gestresst und macht oft Überstunden gratis. Im Kampf gegen den zunehmenden Stress und die grenzenlose Erreichbarkeit plädiert die IG Metall nicht nur für eine ...

... Anti-Stress-Verordnung, sondern auch für ein anderes Zeitverständnis.

Da liegen sie nun wieder vor: Zahlen, die die Öffentlichkeit kaum noch wahrnimmt. Zahlen, die eigentlich nichts Neues aussagen, aber nicht weniger alarmierend sind: 60 Prozent der Beschäftigten müssen in Deutschland in der gleichen Zeit mehr arbeiten als im Vorjahr. Weit mehr als die Hälfte arbeitet gehetzt und gerade mal drei Viertel der Arbeitnehmer glauben, es überhaupt bis zur Rente zu schaffen. 17 Prozent der Beschäftigten leisten unbezahlte Mehrarbeit – denn sie arbeiten sehr häufig oder auch außerhalb der normalen Arbeitszeit, ohne dafür Geld zu bekommen. Und mehr als 40 Prozent kommen mit ihrem Einkommen nicht oder gerade so aus.

Arbeiten am Limit

Diese Befunde befördert der neue Report 2013 des DGB-Index Gute Arbeit zu Tage. Sie offenbaren eine nicht wirklich schöne neue Arbeitswelt. Eine Entwicklung, bei der Arbeit und Zeit keine Grenzen gesetzt werden – auf Kosten der Arbeitnehmer. Bei ihrer Umfrage im Frühjahr 2013, bei der sich eine halbe Million Beschäftigte beteiligte, kam die IG Metall auf ähnliche Werte. Die Arbeitszeiten ufern aus, immer mehr Menschen arbeiten am Limit. Fast 80 Prozent der Befragten beklagten, dass sie immer mehr arbeiten müssen. Für fast jeden Dritten ändert sich kurzfristig die tägliche Arbeitszeit ständig oder häufig. Jeder Vierte bestätigte, dass er noch außerhalb der regulären Arbeitszeit erreichbar sein muss. Da ist es nicht verwunderlich, dass viele der Beschäftigten über Stress und Zeitdruck klagen.

Oft fängt es harmlos an: Mehr Verantwortung und erweiterte Zuständigkeiten. Das Unternehmen strukturiert die Arbeitsorganisation um und auf einmal sind die Mitarbeiter für so viele Abläufe und Aufträge zuständig, dass sie von selbst länger arbeiten. Statt Anweisungen gibt es Verantwortung. Doch die ist meistens mit einem höheren Arbeitsdruck verbunden. Denn einerseits sind die Mitarbeiter zwar für mehr Jobs zuständig, doch selten haben sie Einfluss auf Budget oder Personal. Wenn es gut läuft, bringt die neue Situation mehr Freiheiten. Doch die haben oftmals einen hohen Preis.

Es ist ein süßes und schleichendes Gift, das Flexibilität und Freiheit versprechen, meint Kasimir Lalla, der seit über 25 Jahren bei BMW arbeitet. Am Anfang wirkt es noch völlig harmlos. Aber irgendwann schlägt es um – bei dem einen früher, bei dem anderen später: Auf einmal wird aus der neuen Freiheit ein Zwang, aus dem selbstbestimmten Arbeiten permanente Erreichbarkeit. Einschließlich der Abende, einschließlich der Wochenenden. Und dann? Dann geht es nicht mehr weiter, körperlich nicht, seelisch nicht„, sagt der 51-jährige Lalla, der das bei vielen Kollegen beobachtet hat.

Flexibilität braucht einen Ausgleich

Die IG Metall ist schon seit längerem alarmiert: Ausufernde Arbeitszeiten, steigender Leistungsdruck und ständige Erreichbarkeit sind für viele Beschäftigte leidvoller Arbeitsalltag und machen auf Dauer krank. Um sie besser vor psychischen Belastungen am Arbeitsplatz zu schützen, macht sich die IG Metall stark für eine “ Anti-Stress-Verordnung„. Auch die Arbeitgeber haben mittlerweile das Problem erkannt. Ende letzten Jahres verfassten die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), das Bundesarbeitsministerium und der DGB eine Resolution zum Thema, der eine gemeinsame Veranstaltung im März 2014 mit etwa 300 Teilnehmern folgte.

Die IG Metall bewertet es als Fortschritt, dass die Sozialpartner endlich den dringenden Handlungsbedarf bei der Vorsorge psychischer Erkrankungen anerkennen. Ihr gemeinsamer Appell gibt den Betriebsräten Rückenwind, um in den Betrieben für flächendeckende Gefährdungsbeurteilungen physischer und psychischer Belastungen aktiv zu werden. Doch nun müsse der nächste Schritt erfolgen, erklärt Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall: “Der Erlass einer Anti-Stress-Verordnung, wie es der Bundesrat auch fordert.„

Doch auch ein neues Verständnis von Arbeitszeit muss her. Die IG Metall plädiert für mehr Zeitsouveränität. Denn die Zeiten, in denen sich Beschäftigte von der Arbeit erholen, werden kürzer und kürzer, mehr und mehr dringt dafür die Arbeit ins Privatleben ein. Diese Flexibilität braucht einen fairen Ausgleich: “Nachmittags gehören Mutti und Vati mir„ ist das Motto, mit dem die IG Metall eine flexible Arbeitszeit im Sinne der Beschäftigten fordert.

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