10. Oktober 2014
Interview mit Hilde Wagner, Arbeitszeitexpertin der IG Metall
Geleistete Arbeitszeit darf nicht verfallen
Über Arbeitszeit wird wieder viel diskutiert. In der Metall- und Elektroindustrie gilt die 35-Stunden-Woche. Doch die Arbeitszeit ufert immer häufiger aus und oft verfällt geleistete Arbeitszeit, weil Konten überlaufen. Darüber sprachen wir mit Hilde Wagner, Arbeitszeitexpertin der IG Metall.

Damit ist doch alles geregelt oder nicht?
Hilde Wagner:
Das wäre schön, ist aber zu einfach. Die 35-Stunden- Woche bleibt eine wichtige Errungenschaft und sie wirkt immer noch. Die durchschnittlichen tatsächlichen Arbeitszeiten in der Metall- und Elektroindustrie sind eine Stunde niedriger als in der Gesamtwirtschaft. Wir haben die 35 Stunden allerdings nicht überall. Und die Schere zwischen tariflichen und tatsächlichen Arbeitszeitenöffnet sich seit Jahren. Arbeitszeit wird immer flexibler, in erster Linie im Sinne der Betriebe. Es gibt noch genug zu regeln.

Was läuft am häufigsten schief?

Die Leistungsanforderungen sind in den letzten Jahren enorm gestiegen. Gleichzeitig wird Personal gespart. Unter diesen Umständen ufert die Arbeitszeit aus. Arbeitszeitkonten laufen über. Zu oft verfällt geleistete Arbeitszeit, weil Kappungsgrenzen in Konten überschritten oder Arbeitszeiten gleich gar nicht erfasst werden. Darunter leiden die Gesundheit und das soziale Leben der Beschäftigten.

Welche Lösungen wünschen sich Beschäftigte?

Wie aktuell die 35- Stunden-Woche ist, hat unsere Beschäftigtenbefragung gezeigt: Auf die Frage nach ihren Arbeitszeitwünschen antwortete die Mehrzahl: 35 Stunden und darunter. Viele wollen ihre Arbeitszeit vorübergehend senken, um Kinder zu betreuen oder Angehörige zupflegen. Sie wünschen sich Zeit für persönliche Interessen und Erholung. Dafür brauchen sie planbare Arbeitszeiten und Flexibilität im Sinne echter Zeitsouveränität. Und: Sie wollen nicht unentgeltlich arbeiten. Arbeitszeit darf nicht verfallen. Sie muss erfasst und ausgeglichen werden.

Was können Betriebsräte tun?

Sie haben viele Möglichkeiten mitzubestimmen, etwa über Lage und Verteilung der Arbeitszeit. Sie können im Sinne der Beschäftigten gute Kontenregelungen oder Schichtmodelle abschließen.

Wie helfen ihnen dabei die Tarifverträge?

Die Bestimmungen unserer Manteltarifverträge bieten einen verbindlichen Rahmen, mit dem sowohl Betriebsräte als auch Beschäftigte Arbeitszeit gestalten können. Wenn sie ihre Rechte aus den Tarifverträgen wahrnehmen, erhöht das ihre Handlungsmacht im Betrieb. Nur Rechte, die wahrgenommen werden, können auch weiterentwickelt werden.

Mehr zum Thema: Meine/Wagner (Hrsg.): »Handbuch Arbeitszeit


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