13. Juli 2018
Deutscher Betriebsrätepreis 2018
Unsere Nominierten
Die Jury hat getagt, die Nominierten stehen fest: Insgesamt zwölf Projekte haben es in die Endrunde des „Deutschen Betriebsrätepreis 2018“ geschafft, davon drei IG Metall-Betriebsräte.

Mit dem Betriebsrätepreis zeichnet die Zeitschrift Arbeitsrecht im Betrieb Betriebsräte für vorbildliche Arbeit aus. Aus dem Kreis der Nominierten für 2018 werden im November die Preisträger der Öffentlichkeit vorgestellt. Drei Projekte sind aus dem Bereich der IG Metall nominiert. Wir stellen sie vor.

 

Im Bonner Plenarsaal werden im November wieder Betriebsräte von der Zeitschrift Arbeitsrecht im Betrieb für besondere Arbeit ausgezeichnet. Drei IG Metall-Betriebsräte haben Chancen auf einen Preis. Foto: EVG

 

 

VW Nutzfahrzeuge: Technik muss dem Menschen dienen

Wenn Unternehmen neue Technik einführen, geht es selten um die Frage: Was haben Beschäftigte davon? Das wollte der Betriebsrat von VW Nutzfahrzeuge in Hannover ändern und entwarf ein Gegenmodell zum typischen Planungsverfahren: das Leitbild Mensch. Arbeitsplätze sollen nicht nur digitaler werden, sie sollen auch flexibler, selbstbestimmter und ganzheitlicher werden. Das Ziel fasst Betriebsratsreferent Sven-Thorben Krack so zusammen: „Technik muss dem Menschen dienen.“

Krack und seine Betriebsratskollegen suchten sich Mitstreiter im Unternehmen. Die IG Metall unterstützte sie mit dem Projekt Arbeit und Innovation. „Vor allem der Austausch mit anderen Kollegen und die Seminare haben uns sehr geholfen. Damit konnten wir uns einen Überblick über das Thema verschaffen“, sagt Krack.

Gemeinsam mit dem Arbeitgeber formulierte der Betriebsrat Ziele, umriss Aufgaben wie Qualifizierung, Arbeitszeitmodelle oder gute Arbeit und verfasste eine gemeinsame Erklärung zum Leitbild Mensch. „Nun muss aus den Sprechblasen etwas werden, das die Arbeit auf dem Hallenboden spürbar verbessert“, sagt Sven-Thorben Krack. Darum geht es in ihren ersten Projekten. In einem Pilotprojekt wollen sie mithilfe von Arbeitszeitmodellen den Wünschen der Beschäftigten in der Montage nach Teilzeit nachkommen und mit Fachrollen die Arbeit vielfältiger machen.

Beschäftigte in der Cockpitfertigung beklagten häufig, dass sie viel von ihrem Wissen gar nicht anwenden können. Wer will, kann nun eine Fachrolle übernehmen. Bei diesem Konzept sind zehn Prozent der Arbeitszeit indirekten Arbeiten vorbehalten, wie eine Störung zu beheben oder sich mit der Instandhaltung auszutauschen. So wird die Arbeit vielfältiger, ohne dass die Belastung steigt. Die Fachrolle gibt Beschäftigten die Chance, ungenutztes Wissen einzusetzen. Dem Betriebsrat geht es aber auch darum, Beschäftigte für neue Aufgaben zu qualifizieren. „Die Digitalisierung in der Produktion nimmt zu. Diese Arbeit sollen nicht Leute von außen erledigen, sondern die Beschäftigten in der Montage selbst. Damit nicht nur die einfachen und zukünftig weniger werdenden Arbeiten in der Montage bleiben“, sagt Krack.


Siemens Leipzig: Mit Praktikum Geflüchteten geholfen

Sich um einen Preis bewerben, der Gedanke schien Betriebsrat Michael Hellriegel fern. „Wir machen doch nichts Besonderes. Wir bieten nur Geflüchteten Praktika an“, dachte der Vorsitzende des Betriebsrats von Siemens in Leipzig. Andere ermutigten ihn: „Doch, das ist was Besonderes, bewerbt Euch.“ Seit sein Projekt zu den Nominierten für den Betriebsrätepreis 2018 zählt, denkt Hellriegel: „Vielleicht ist es doch nicht selbstverständlich.“

Als 2015 viele Menschen nach Deutschland flüchteten, spürte Michael Hellriegel: „Da sind viele gefordert, um das zu bewältigen.“ Der Betriebsrat sammelte Spenden und überlegte, wie sie geflüchteten Menschen bei einem Neuanfang helfen können. Da die meisten keine Arbeitserlaubnis haben, kamen reguläre Jobs nicht infrage, Praktika schon.

Der Betriebsrat fragte in allen Abteilungen, wer Praktika für Geflüchtete anbieten kann. Die Antwort: sehr viele. Die Unternehmensleitung zog mit und die Agentur für Arbeit schickte Bewerber. 2016 bekamen elf Geflüchtete Praktika im Leipziger Werk und Mindestlohn. „Bezogen auf die Beschäftigtenzahl sind wir damit Spitzenreiter im Konzern“, sagt Hellriegel. Nach dem Praktikum versucht der Betriebsrat, den jungen Menschen eine Ausbildung zu vermitteln. Ein junger Mann lernt Elektroniker im Werk, zwei weitere beginnen im August eine Ausbildung als Industrieelektriker. Die nächsten Praktikanten sind schon da.

Für Hellriegel braucht es drei Dinge, um Geflüchteten zu helfen. „Guten Willen, eine Betriebsleitung, die es unterstützt, und einen Buddy.“ Bei Siemens in Leipzig hat jeder Praktikant einen Betreuer. Buddy-System nennt es der Betriebsrat. Auch Michael Hellriegel begleitet einen jungen Mann. Er half ihm, sich für einen Schulabschluss anzumelden, und ging mit ihm zur Ausländerbehörde. Das Projekt nutzt nicht nur Geflüchteten. „Wo lernt man sonst im Alltag geflüchtete Menschen kennen?“, fragt Hellriegel. „Bei uns können sich Beschäftigte selbst ein Bild machen, wer diese Menschen sind und was sie erlebt haben.“


Siemens Valeo: Ohne den Betriebsrat ändert sich keine Schicht

Ohne den Betriebsrat geht bei Valeo Siemens in Sachen Schicht nichts. Ändert sich etwa die Auftragslage und will der Arbeitgeber für ein halbes Jahr auf 18 Schichten hochfahren, bestimmt der Betriebsrat mit. Er prüft, ob tatsächlich so viele Schichten gebraucht werden und ob das vorhandene Personal ausreicht oder zusätzliche Kräfte eingestellt werden müssen. Für Betriebsrätin Nadine Knauff ist es das Besondere an der Vereinbarung, die der Betriebsrat Anfang des Jahres abgeschlossen hat. „Wir haben kein völlig neues Schichtsystem erfunden. Wir haben eine Mantelbetriebsvereinbarung entwickelt, die festhält, dass der Betriebsrat jeder neuen Schichtphase zustimmen muss.“

„Der Übergang von einem Industriebetrieb zu einer Automobilgesellschaft war nicht ganz einfach. Da wurde auf einmal viel mehr Flexibilität von uns verlangt“, sagt Nadine Knauff. Gleichzeitig zog die Auftragslage an, so dass fünf Tage pro Woche nicht ausreichten, um die Arbeit zu schaffen, und der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat über eine 6-Tage-Woche verhandeln wollte.

Viele Beschäftigte fühlten sich von dem Vorstoß überrumpelt. Der Betriebsrat bildete zunächst Arbeitsgruppen und wollte wissen, was sich die Beschäftigten für ihre Arbeitszeit wünschen. Heraus kam ein Schichtbaukasten, aus dem je nach Auftragslage ein Modell gezogen werden kann und der auch den Beschäftigten Selbstbestimmung und Flexibilität einräumt.

„Eine 6-Tage-Woche ist nicht schön, aber wenn es die Auftragslage erfordert, wollen wir möglichst viele Wünsche unserer Kolleginnen und Kollegen berücksichtigen“, sagt Nadine Knauff. Zurzeit testen sie zwei Modelle bei Valeo Siemens: eine 6-Tage-Woche mit 6 Stunden pro Tag und eine 6-Tage-Woche mit 8 Stunden pro Tag und einer freien Woche im Monat. Jetzt möchte der Betriebsrat wissen, welches Modell die Beschäftigten besser finden.

 

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