11. November 2011
Atypische Beschäftigung: Leiharbeit und Befristung begrenzen
Arbeit darf nicht zur Ramschware werden
Der Arbeitsmarkt hat sich wieder erholt. Doch hat das neue Jobwunder einen Schönheitsfehler: Bei Neueinstellungen setzen die Betriebe vor allem auf Leiharbeitnehmer und befristet Beschäftigte. Das zeigt eine Umfrage der IG Metall unter Betriebsräten.

Atypische Beschäftigungsformen haben in Deutschland schon seit längerem Hochkonjunktur. Dazu gehören neben der Leiharbeit und befristete Beschäftigung auch sogenannte Minijobs. Atypische Beschäftigung ist häufig prekär: Die Betroffenen können von ihrer Arbeit nicht leben.

In der Krise waren die Leiharbeitnehmer die Ersten, die gehen mussten. Und nach der Krise setzen Unternehmen wieder bevorzugt auf Leiharbeit und prekäre Beschäftigung, statt feste und unbefristete Arbeitsplätze auszubauen.

Graik: Ergebnisse Betriebsräte-BefragungDas ergab eine Umfrage der IG Metall unter Betriebsräten aus 5100 Betrieben. Nur bei 15 Prozent überwiegen unbefristete Neueinstellungen. Der Rest setzt auf Leiharbeit (43 Prozent) oder befristete Verträge (42 Prozent).
Ein Fünftel der Befragten gab an, dass bei ihnen Leiharbeit Stammbeschäftigung verdrängt.

Missbrauch stoppen
Damit zeigt sich, dass Leiharbeit sich als Billig-Lohn-Linie etabliert hat. Der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Detlef Wetzel, forderte die Politik auf, den Missbrauch aufzuhalten, statt ihm wie mit dem aktuellen Gesetzentwurf Tür und Tor zu öffnen. An die Adresse der Arbeitgeber sagte er: „Wir sind für flexible Lösungen. Aber Leiharbeit und flexible Tarifverträge wird es mit uns nicht geben.“

Trotz Arbeit Hartz IV
Leiharbeitnehmer verdienen für die gleiche Arbeit bis zu 40 Prozent weniger als ihre fest angestellten Kolleginnen und Kollegen. Jeder achte Leiharbeitnehmer ist trotz Arbeit auf Hartz IV angewiesen, um über die Runden zu kommen. Den Profit teilen sich Verleiher und Entleiher. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Stammbelegschaft: Leiharbeit verdrängt reguläre Jobs und etabliert einen Niedriglohnsektor im Betrieb.

Leiharbeit nimmt wieder zu
Zwischen 2005 und 2008 hatte sich die Zahl der Leiharbeitnehmer von 351 000 auf 702 000 verdoppelt. Politik und Wirtschaft sprachen von einem „Jobmotor“, meinten wohl aber eher „Jobrotation“. In der Krise waren Leiharbeitnehmer dann die Ersten, die ihren Job verloren.

Grafik: Leiharbeit - die Fakten











Quelle: Bundesagentur für Arbeit/Hans-Böckler-Stiftung 2010/
*Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW)


Jetzt, wo es wieder aufwärts geht, nutzen viele Arbeitgeber Leiharbeit, um eine Beschäftigtengruppe unterhalb des Tarifniveaus zu etablieren. Die Zahl 826 0000 Leiharbeitnehmer im Juni 2010 hat sogar den Vor-Krisen-Höchststand von 2008 getoppt. Die Leiharbeit muss eingedämmt und reguliert werden. Sonst haben wir bald überall Arbeitnehmer erster, zweiter und dritter Klasse.

Das Märchen vom Klebeeffekt
Vor allem junge Menschen sind als Leiharbeitnehmer beschäftigt. Sie führen ein Leben in ständiger Unsicherheit. Leiharbeit sei ein Sprungbrett in reguläre Arbeit. Wer als Leiharbeitnehmer im Entleihbetrieb Fuß fasse, bleibe dort „kleben“ – das behaupten die Befürworter der Leiharbeit. Diese Hoffnung wird von Entleihbetrieben meist für Lohn-, Arbeitszeit- und Sozialdumping missbraucht. Der vielfach behauptete „Klebeeffekt“ beträgt gerade mal sieben Prozent. Das hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) festgestellt. Deshalb: Leiharbeitnehmer müssen eine Perspektive erhalten. Ihnen muss es möglich sein, durch entsprechende Weiterbildung im Entleihbetrieb übernommen zu werden.

Befristete Beschäftigung einschränken
Mehr als zwei Millionen Menschen haben in Deutschland einen befristeten Arbeitsvertrag. Junge Menschen sind besonders betroffen. Jeder zweite Berufseinsteiger wird nur noch befristet eingestellt, hat das Statistische Bundesamt ermittelt. Demnach stieg der Anteil der befristeten Neueinstellungen im ersten Halbjahr 2009 von 32 Prozent im Jahr 2001 auf 47 Prozent. Die jungen Berufseinsteiger arbeiten auf Bewährung und müssen nicht selten mehrere Jahre darauf hoffen, fest angestellt zu werden. Und das in einer Phase, in der es nicht nur um berufliche Weiterentwicklung, sondern auch um die private Lebensplanung geht. Deshalb fordert die IG Metall, die Möglichkeiten zu befristeten Arbeitsverträgen einzuschränken. Unternehmen müssen per Gesetz gezwungen werden, Befristungen stets zu begründen.


Gemeinsam für ein gutes Leben Zur Rubrik „Arbeit – sicher und fair!“ www.jungegeneration.de

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