18. September 2015
Werkverträge
Beschäftigte dritter Klasse
Der Missbrauch von Werkverträgen höhlt Tarif- und Sozialstandards aus. Der Gesetzgeber muss die Erosion der Arbeitswelt stoppen, schreibt der Zweite IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann in seinem Gastbeitrag in der „Mittelbayerischen Zeitung“.

Immer mehr Unternehmen missbrauchen Werkverträge, um Arbeit auszulagern und dadurch die Kosten zu drücken. Je größer der Betrieb ist, desto häufiger wird auch auf Werkverträge gesetzt. Ausgelagert werden dabei mehr und mehr Kernbereiche der Wertschöpfungskette: Produktion und Montage, Logistik und Werkzeugbau, Forschung und Entwicklung. Auch im Organisationsbereich der IG Metall – etwa im Fahrzeugbau, in der Luftfahrtindustrie und in der Stahlerzeugung – ist diese Vorgehensweise längst kein Einzelfall mehr.

Eine Umfrage der IG Metall unter mehr als 4000 Betriebsratsvorsitzenden ergab, dass mehr als zwei Drittel der Betriebe Leistungen bei Fremdfirmen einkaufen. Das Ziel dieses Outsourcings ist offenkundig: In fast drei Viertel der Fälle müssen die Beschäftigten der Werkvertragsfirmen zu schlechteren Bedingungen arbeiten als die Stammbelegschaft. Häufig ist die Fremdvergabe von Arbeit per Werkvertrag mit niedrigeren Löhnen, längeren Arbeitszeiten oder weniger Urlaubstagen verbunden.

Die Leistung, die bisher Stammbeschäftigte erbringen, wird damit billiger eingekauft – es geht schlicht um drastische Lohnkostensenkung. Und der Lohndruck auf die Beschäftigten steigt damit auf beiden Seiten.

Häufig arbeiten die Beschäftigten mit Werkvertrag (weiter) auf dem Werksgelände und nach klaren Vorgaben des Auftraggebers. Damit wird vor allem die Verantwortung für die Arbeitsbedingungen der Menschen, die diese Arbeit leisten, ausgelagert. Mit Werkverträgen entwickelt sich unter einem Firmendach oft eine Dreiklassengesellschaft: Der tariflich gesicherte Materialversorger erhält als Beschäftigter des Fahrzeugbauers einen Stundenlohn von 15,90 Euro. Der ausgelagerte Materialversorger bekommt gerade noch 11,74 Euro, wenn er nach Speditionstarifvertrag bezahlt wird. Ohne Tarifbindung gibt es allenfalls den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro.

Damit wird deutlich: Mit der Fremdvergabe geht es den Unternehmen an allererster Stelle um Extraprofite, die auf Kosten der Beschäftigten der Werkvertragsfirmen erzielt werden. Es ist eine Schande, dass hoch profitable Unternehmen, die Milliardendividenden an ihre Aktionäre ausschütten, auf diese Weise versuchen, Lohnkosten und Sozialstandards zu drücken. Wohlgemerkt: Die IG Metall-Kritik an Werkverträgen richtet sich nicht gegen eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen Unternehmen, Zulieferern und Spezialisten, auch nicht gegen Werkverträge generell. Wir wehren uns gegen die missbräuchliche Auslagerung von vormaligen Kerntätigkeiten.

Das ist eine schleichende Erosion, vergleichbar den jährlich weiter schwindenden Eisschichten der großen Gletscher. Am Ende bleiben dort nur Schutt und Geröll – in unserer Arbeitswelt ungeschützte Beschäftigungsverhältnisse.

Die IG Metall wird den Druck auf die Unternehmen weiter verstärken – etwa mit einem bundesweiten Aktionstag am 24. September an nahezu allen Standorten der deutschen Automobilhersteller in Deutschland. Doch auch der Gesetzgeber ist gefordert: Die Regierungskoalition muss den Missbrauch mit gesetzlichen Regelungen eindämmen. Das ist im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Werkverträge müssen klarer von der Arbeitnehmerüberlassung abgegrenzt werden. Daran wird die IG Metall den von Arbeitsministerin Andrea Nahles für den Herbst geplanten Gesetzentwurf zu Werkverträgen und Leiharbeit messen.

Dieser Artikel ist am 18. September 2015 als Gastkommentar in der „Mittelbayerischen Zeitung“ erschienen. Jörg Hofmann ist Zweiter Vorsitzender der IG Metall.

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