Gute Führung: Gewinn für Beschäftigte & Unternehmen
„Weicher Faktor“ Führungskompetenz

Was macht ein Unternehmen erfolgreich? Innovative Technik, effiziente Prozesse und qualifizierte Mitarbeiter? Das stimmt, bedeutet aber keinen Selbstläufer. Warum oft die Vorgesetzten der Sand im Getriebe sind.

19. Dezember 201319. 12. 2013


„Führungskompetenz“ lautet das Stichwort, dessen große Bedeutung vielen Chefetagen nicht bewusst zu sein scheint. Dabei verursacht das Problem auch immense Kosten: Schlechte Führung kann Arbeit verkomplizieren, für ein mieses Betriebsklima sorgen und den Krankenstand erhöhen. „Neben dem Lebenspartner ist der Vorgesetzte am wichtigsten für die physische und psychische Gesundheit der Mitarbeiter“, mahnt Arbeitssoziologe und Gesundheitswissenschaftler Bernhard Badura von der Universität Bielefeld. Trotzdem kämen vielen Unternehmen nur Yoga-Kurse in den Sinn, wenn es um Gesundheit geht. Damit die Beschäftigten auf der einen Seite gesund bleiben und die Unternehmen auf der anderen Seite in der Globalisierung konkurrenzfähig, muss sich dringen etwas ändern. Die IG Metall wirbt unter anderem in ihrer Anti-Stress-Verordnung dafür, der Führungskultur größere Beachtung zu schenken.


Mitarbeiterbefragungen der Königsweg

„Das psychische Befinden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist als Maßstab guter Führung sehr viel besser geeignet als Unfallzahlen und Fehlzeiten“, erklärt Badura. Nicht jeder Abwesende sei krank und nicht jeder Anwesende gesund. Um die soziale Verfassung von Abteilungen zu ermitteln, seien vielmehr Mitarbeiterbefragungen der Königsweg. Aber nur von professioneller Hand begleitet. Ansonsten könnten solche Befragungen auch kontraproduktiv sein. Beispielsweise müsse im Voraus mit dem Management vereinbart sein, dass die Ergebnisse veröffentlicht und identifizierte Probleme im Anschluss auch angegangen werden. Andernfalls könne das Vertrauen der Mitarbeiter leiden. Dass das Management sich eventuell mit Kritik auseinandersetzen muss, dürfe kein Grund für Geheimhaltung sein.

Ihre Chefposten erhalten die meisten aufgrund von Verdiensten im Unternehmen. Oft haben Führungsqualitäten bis dahin kaum eine Rolle gespielt. „Der beste Chirurg ist nicht automatisch der beste Klinikleiter“, sagt Badura. Im Wettrennen um Innovationen und Fortschritt bleiben die Führungskompetenzen bei der Beurteilung als „weiche Faktoren“ häufig auf der Strecke. Auch wird Menschenführung nur in wenigen Ausbildungen wie zum Beispiel dem Meister vermittelt. „Wir verlangen von jedem, der ein Auto fährt, einen Führerschein. Führungskräfte brauchen anscheinend keine Qualifikationen“, sagt Badura.

Bernhard Badura


Führungskräfte oft selbst überlastet

Die Brisanz des Themas verdeutlichte Badura auch auf der Engineering- und IT-Tagung der IG Metall. Dort machten Führungskräfte in einer Diskussion ihr Problem deutlich, vor dem Hintergrund der Margenerwartung ihrer Geschäftsführung dem eigenen Anspruch an gesundheitsfördernde Arbeitsstrukturen und einem guten Betriebsklima gerecht zu werden. Viele seien selbst gesundheitlich angeschlagen und dauerüberlastet. Das Thema solle im Interesse aller von den Gewerkschaften stärker besetzt werden.


Die negativen Auswirkungen auf die Beschäftigten spiegeln sich beispielsweise in den Zahlen der GKVen zu steigenden Ausgaben für Krankengeld und insbesondere für die Versorgung psychisch Kranker wieder. Psychische Störungen stehen seit Jahren an der Spitze der Frühverrentungsstatistik (Fehlzeitenreport-Report 2013). Aus unternehmerischer Sicht würden insbesondere psychische Beeinträchtigungen wie Schlafstörungen oder Depressivität eine stärkere Beachtung verdienen, weil sie die Qualität der Arbeit und Produktivität beeinträchtigten. Rund zehn Prozent der Personalkosten könnten sie Badura zufolge verschlingen. „Zahlen legitimieren, in die Gesundheit zu investieren“, sagt Badura. Ohne Zahlen könne es schwierig werden, Unternehmer dazu zu bewegen, in die Gesundheit der Beschäftigten zu investieren.


Vorgesetzte für die Mitarbeiterführung qualifizieren

Auch der Politik kann das Thema nicht egal sein, wenn sie von den Beschäftigten die Rente mit 67 fordert: Ein wichtiger Index für den Gesundheitszustand einer Erwerbsbevölkerung sei Badura zufolge die beschwerdefreie Lebenserwartung. Deutschland reiht sich laut Eurostat 2012 bei den Männern rund 14 Jahre und bei den Frauen 12 Jahre hinter Spitzenreiter Schweden ein. Auch hinter Frankreich liegt die Bundesrepublik Jahre zurück (siehe Grafik unten). „Das zeigt, dass in Deutschland ein erheblicher Nachholbedarf besteht“, mahnt der 70-Jährige. Dem „Engagement-Index“ von Gallup, der jährlich international vergleichend erhoben wird, lässt sich zudem entnehmen, dass „Dienst nach Vorschrift“ und „innere Kündigung“ hierzulande weit verbreitet sind.


In ihrer Anti-Stress-Verordnung fordert die IG Metall unter anderem von Vorgesetzten für die Mitarbeiterführung erforderliche Qualifikationen ein, dass die Beschäftigten in Planungs-, Kommunikations- und Entscheidungsprozesse einbezogen werden, ihnen Wertschätzung zuteil wird und Perspektiven durch berufliche Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet werden. Denn von einem guten Betriebsklima profitieren Beschäftigte wie Arbeitgeber. „Unternehmen, in denen ein offener Diskurs herrscht, in denen Angstfreiheit herrscht, sind die besseren Unternehmen“, unterstreicht Badura.

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