Friedensnobelpreis: Ehrung für Tunesiens Gewerkschaften
Eine Auszeichnung für das tunesische Volk

Der Friedensnobelpreis wird dieses Jahr dem tunesischen „Quartett für den nationalen Dialog“ verliehen. Darin spielt die Gewerkschaftszentrale UGTT eine besondere Rolle. In der Geschichte des Friedensnobelpreises ist es das dritte Mal überhaupt, dass Gewerkschaften gewürdigt werden.

13. Oktober 201513. 10. 2015


Ein Friedensnobelpreis für Gewerkschaftsarbeit: Für seinen „Beitrag zum Aufbau einer pluralistischen Demokratie“ zeichnet das Norwegische Nobelkomitee in diesem Jahr das tunesische „Quartett für den nationalen Dialog“ aus. Das Bündnis aus Gewerkschaftern, Industriellen, Menschenrechtlern und Rechtsanwälten organisiert seit dem arabischen Frühling den nationalen Dialog in Tunesien – es bringt die höchsten Staatsämter, Regierungsparteien und Bürger an einen Tisch.

„Der Friedensnobelpreis ist ein wichtiges Signal an die Akteure in Tunesien, um sie zur Zusammenarbeit zu animieren und Einzelinteressen hintan zu stellen“, sagte das für Internationales zuständige IG Metall-Vorstandsmitglied Wolfgang Lemb. Im Namen der IG Metall mit ihren 2,26 Millionen Mitgliedern gratulierten Lemb und IG Metall-Vorsitzender Detlef Wetzel den tunesischen Preisträgern und insbesondere dem Generalsekretär der Gewerkschaftszentrale UGTT, Houcine Abassi.

Die weiteren Geehrten sind Wided Bouchamaoui, die Präsidentin des Arbeitgeberverbandes UTICA, Abdessattar Ben Moussa von der Tunesischen Menschrechtsliga und Mohamed Fadhel Mahmoud vom nationalen Anwaltsverein. Die Preisträger haben es geschafft, mit viel Beharrlichkeit einen friedlichen Prozess einzuleiten, als das Land am Rande eines Bürgerkrieges stand. „Der Preis ist für das gesamte tunesische Volk gedacht, das die Schwierigkeiten der postrevolutionären Zeit auf sich genommen hat“, erklärten Wetzel und Lemb. „Er soll Ansporn für alle sein, die Frieden, Demokratie und einen Rechtsstaat im Land weiter voranbringen wollen.“

Glaubwürdige Vermittlerin

Ein Generalstreik und die massive Beteiligung von UGTT-Mitgliedern hatten 2011 maßgeblich den Sturz des autoritären Regimes von Präsident Ben Ali bewirkt. Danach hatte Tunesien mit einer Fülle von Problemen zu kämpfen. Eine prekäre soziale und wirtschaftliche Situation mit hoher Arbeitslosigkeit, insbesondere bei der Jugend, Korruption und Vetternwirtschaft sowie Terrorismus belasteten nach wie vor die Situation im Land. Hinzu kamen wilde Streiks, das fehlende Informationsrecht der Betriebsgewerkschaften, mangelnde Kommunikationsbereitschaft des Managements bei Entlassungen oder Umstrukturierungen und Frust über die wirtschaftliche Lage. Die UGTT übernahm es, als Mediatorin die politische Blockade und die schwere Vertrauenskrise in alle staatlichen Institutionen zu überwinden. Im Hintergrund führte sie unermüdliche Verhandlungen mit allen politischen Kräften des Landes. Die UGTT setzte einen Fahrplan für einen Nationalen Dialog durch und war maßgeblich an der Ausarbeitung einer neuen Verfassung beteiligt. Für die UGTT ist die Verleihung des Friedensnobelpreises eine Anerkennung ihrer Rolle als glaubwürdige Vermittlerin.

Die IG Metall engagiert sich seit Herbst 2013 im Land und arbeitet eng mit der tunesischen Metallgewerkschaft zusammen, die Teil des Dachverbandes UGTT ist. Schwerpunkt der Zusammenarbeit ist die Verbesserung des sozialen Dialogs und der Demokratie im Betrieb. Im Fokus der Aktivitäten stehen Zuliefererfirmen wie Leoni, Dräxlmaier, Kromberg & Schubert, Marquardt und Kaschke. Bei Leoni, Dräxlmaier und Kromberg & Schubert konnten schon deutliche Verbesserungen erzielt werden. Es gibt nun regelmäßige Gespräche und eine Reihe von Vereinbarungen, etwa zur Standortsicherung oder Einrichtung eines Sozialfonds. In einem Unternehmen wurden gewerkschaftliche Vertrauensleute eingeführt, die die Betriebsgewerkschafter bei ihrer Arbeit unterstützen und helfen, die Kommunikation mit der Belegschaft sicherzustellen. In 2015 wurde die Kooperation um eine Organisations- und Führungskräfteentwicklung erweitert. In dem fragilen Transformationsprozess des Landes werden die Gewerkschaften auch zukünftig als Vermittlerinstanz der divergierenden politischen Kräfte gefragt sein.

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