Frauen in Leiharbeit
Demütigend und menschenunwürdig

Frauen müssen sich häufig mit niedrigen Löhnen begnügen. Wenn sie dann noch in der Leiharbeit landen, wird ihr Verdienst unterirdisch. Im Schwarzbuch der IG Metall zu Leiharbeit beschreiben Betroffene ihre düsteren Perspektiven.


Ute hat sich zehn Jahre lang zuhause um die Kinder gekümmert. Nun ist sie über die Leiharbeit wieder berufstätig. 7,60 Euro bekommt die alleinerziehende Mutter pro Stunde. „Ich lebe nicht, ich existiere nur“, beklagt sie im Schwarzbuch der IG Metall zu Leiharbeit. Eine Chance auf eine Festanstellung oder bessere Bezahlung sieht sie nicht. „Wir halten dafür her, dass sich die Unternehmen die Taschen vollstopfen. Das ist demütigend und menschenunwürdig.“


Keine Schichtzulage

Birgit ist alleinerziehend und dreifache Mutter. Nach einem Jahr Arbeitslosigkeit hatte sie die Wahl zwischen Hartz IV und Leiharbeit. Sie entschied sich für den Job und arbeitet als Produktionshelferin. „Ich mache die gleiche Arbeit wie meine Kollegen im Schichtdienst, bekomme aber weniger Lohn und keine Schichtzulage“, berichtet sie. Birgit kann von ihrem Job nicht leben und muss ergänzende Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Darüber kann sie nur den Kopf schütteln. „Warum unterstützt der Staat eine solche Ausbeuterei?“

Bei Frauen, die sich mit Leiharbeit durchschlagen müssen, reicht das Geld hinten und vorn nicht. Sie verdienen die Hälfte bis ein Drittel von dem, was Stammarbeiter bekommen. In kaum einer anderen Branche muss ein so hoher Anteil an Arbeitnehmern ergänzende staatliche Leistungen beantragen. Das ist besonders dann der Fall, wenn sie gering qualifiziert sind. Die besonders niedrigen Leiharbeitslöhne müssen sie mit Hartz IV aufstocken. Das Gefühl, Beschäftigte zweiter Klasse zu sein, nagt am Selbstwert der Leiharbeitnehmer.

Ohne Rücksicht auf Verluste

Als „Verliererin“ empfindet sich die 34-jährige Johanna, obwohl sie Abitur und eine abgeschlossene Ausbildung vorweisen kann. Die Modellbauerin ist alleinerziehende Mutter einer Tochter. Ihr Vertrag mit einer Leiharbeitsfirma kann jederzeit gekündigt werden. Von ihrem Chef im Einsatzbetrieb fühlt sie sich gemobbt. Eine Einstufung als Facharbeiterin wird ihr verwehrt. Dadurch verdient Johanna so viel wie eine ungelernte Kraft. Ihr ganzes Einkommen geht für laufende Kosten drauf. Jede größere Anschaffung und Urlaub muss sie sich dreimal überlegen.

„Ich bin schon zwei Jahre bei einer Firma“, berichtet eine Leiharbeitskollegin. „Die Firma zahlt für mich weniger als für einen normalen Mitarbeiter. Es gibt keine Prämien für Akkordarbeit, und selbst Sonderzahlungen erhalten nur Stammmitarbeiter. Ich tue mir wirklich schwer, hinter so einem Unternehmen zu stehen, weil ich mich ungerecht behandelt fühle. Aber trotzdem muss man seinen Mund halten, weil man jederzeit kündbar ist.“

Die Entleihbetriebe nehmen auf familiäre Belange von Leiharbeiterinnen wenig Rücksicht, wie eine Staplerfahrerin berichtet: „Ich habe zwei Kinder im Grundschulalter, trotzdem verlangt der Chef oft, dass ich am Samstag komme. Als Leiharbeiterin kann ich mir ein Nein nicht leisten, weil ich dann schnell weg vom Fenster bin.“ Da viele Frauen familiär gebunden sind, können sie der Leiharbeit auch nicht so schnell entfliehen, indem sie sich auf offene Stellen bewerben, die weiter entfernt sind. Sie sind in der Regel auf ihren regionalen Arbeitsmarkt angewiesen.

Arm in die Rente

Das dicke Ende kommt für Leiharbeiterinnen dann, wenn sie in Rente gehen. Sie haben durch ihren geringen Verdienste während der Leiharbeit geringere Rentenansprüche angesammelt. Viele landen unterhalb der Grundsicherung. Ohne existenzsichernde Renten sind sie auf öffentliche Unterstützung angewiesen. Deshalb ist gerade für Frauen in Leiharbeit wichtig, das Prinzip von „Gleiche Arbeit – gleiches Geld“ durchzusetzen.

„Ich hoffe sehr, dass es uns Leiharbeiterinnen bald besser geht, dass man vom Lohn einigermaßen leben kann, dass die Bettelei beim Amt aufhört“, erklärt eine Betroffene im Schwarzbuch der IG Metall. „Alleinerziehende in Leiharbeit haben es besonders schwer. Es muss sich was ändern, damit man was für die Rente hat und Frauenarmut nicht noch schlimmer wird.“
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