Ein Jahr IndustriAll Europe und IndustriAll Global
Eine Task Force für Arbeitnehmerrechte weltweit

Vor einem Jahr wurden die Industriegewerkschaftsverbände IndustriAll auf europäischer und globaler Ebene gegründet. Beiden Verbänden geht es um gute Arbeitsbedingungen und sichere Beschäftigung für Millionen von Menschen weltweit. Der Handlungsbedarf bleibt groß.

19. Juni 201319. 6. 2013


Seit Mai 2012 gibt es die IndustriAll European Trade Union. Der Verband repräsentiert 190 Einzelgewerkschaften mit mehr als sieben Millionen Mitglieder aus den Branchen Stahl, Metall und Elektro, Bergbau, Chemie und Energie sowie Textil, Bekleidung und Leder. Eine der Vorgängerorganisationen war der Europäische Metallgewerkschaftsbund (EMB). Präsident von IndustriAll Europe ist Michael Vassiliadis, Vorsitzender der deutschen Industriegewerkschaft IG BCE. Ulrich Eckelmann ist von der IG Metall der Generalsekretär der neuen Organisation mit Sitz in Brüssel.

Was hat sich in dem Jahr seit Gründung von IndustriAll Europe getan?

Ulrich Eckelmann, Generalsekretär von IndustriAll Europe: „Für IndustriAll Europe sind Gerechtigkeit und Solidarität die Leitforderungen für die Zukunft. In der Industriepolitik des Gewerkschaftsverbandes liegt der Fokus auf nachhaltigem Wachstum und der Schaffung von mehr und guten Arbeitsplätzen. Europa hat lange auf Wachstum im Dienstleistungssektor gesetzt und Produktion sträflich vernachlässigt. Diese Sichtweise hat sich fundamental geändert. Jetzt ist es erklärtes Ziel der EU, den Beitrag der Industrie zum BIP von 16 auf 20 Prozent zu steigern. Deshalb erfolgte die Gründung von IndustriAll Europe genau zum richtigen Zeitpunkt“, sagt Eckelmann.

„Durch den Zusammenschluss vor einem Jahr können wir gestärkt und koordiniert auftreten“, erklärt Eckelmann. „IndustriAll European Union entwickelt sich zum sichtbaren Akteur auf der europäischen Politikarena und gegenüber den Unternehmen, europäischen Arbeitgeberorganisationen und den EU-Institutionen. Wir treten mit einer Stimme auf. Das haben wir beispielsweise bei den koordinierten Aktionen bei Arcelor Mittal unter Führung von IndustriAll Europe gezeigt. Verstärkte Koordinierung der Gewerkschaften auch bei der Lohnpolitik ist unser Ziel für die Zukunft.“

Gemeinsame Stärken nutzen

Das globale Pendent zu IndustriAll Europe, nämlich IndustriAll Global, ist auf der politischen Bühne nicht minder gefragt. IndustriAll Global wurde am 19. Juni 2012 in Kopenhagen gegründet. Die Organisation mit Sitz in Genf ist unter anderem die Nachfolgeorganisation des Internationalen Metallgewerkschaftsbundes IMB und vertritt über 50 Millionen Beschäftigte in 140 Ländern. Mitgliedsorganisation ist hier ebenso wie bei IndustriAll Europe die IG Metall. Der Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, ist Präsident von IndustriAll Global. Das Amt des Generalsekretärs wird von dem Finnen Jyrki Raina bekleidet.

Der Einsatz in Bangladesch nach dem Einsturz mehrere Textilfabriken war für IndustriAll Global die Bewährungsprobe. Das Unglück, bei dem im April dieses Jahres über 1100 Textilarbeiter getötet wurden, löste weltweit Empörung und Betroffenheit aus. Kurze Zeit danach gelang es IndustriAll Global, ein Abkommen für Brand- und Gebäudeschutz für Bangladesch durchzusetzen. Dem Abkommen sind inzwischen über 40 Unternehmen beigetreten, unter anderem Branchenriesen wie H&M. IndustriAll dringt nun mit Besuchen vor Ort darauf, dass das Abkommen, das zunächst für fünf Jahre gilt, auch umgesetzt wird.

Was tut IndustriAll Global zur weiteren Verbesserung der Lage von Beschäftigten?

Jyrki Raina, Generalsekretär von IndustriAll Global: „Das Brandschutzabkommen für Bangladesch war bereits von uns in Vorbereitung, als die Einsturzkatastrophe passierte. Das Abkommen markiert einen Wendepunkt, weil es erstmals gelungen ist, eine umfassende verbindliche Regelung abzuschließen, die auch die Zulieferer umfasst. Nun muss das Abkommen rasch umgesetzt werden. Wir werden den Druck auf die Regierung aufrecht erhalten, damit sich rasch etwas bewegt. Der Mindestlohn für die Textilarbeiter soll stufenweise angehoben werden. Mithilfe der Kampagne wollen wir vor Ort mehr Mitglieder für die Gewerkschaften gewinnen. Bislang ist der Organisationsgrad im Textilbereich sehr niedrig. Ziel der Bemühungen von IndustriAll ist außerdem, die Sicherheit im ganzen Textilsektor in Südostasien zu verbessern. Denn überall sind die Zustände in den Fabriken äußerst prekär. Neue Unglücke, die mit bedauerlicher Regelmäßigkeit wie jüngst in Kambodscha passieren, belegen die Dringlichkeit des Problems“, erklärt Raina.

Kampf für menschenwürdige Arbeit

IndustriAll ist quasi eine Art Feuerwehr oder Task Force, die immer dann ausrückt, wenn Arbeitnehmerrechte irgendwo auf der Welt in Gefahr sind. Aktueller Anlass, aus dem sich beide Organisationen, IndustriAll Europe und Global zu Wort melden, sind die aktuellen Proteste gegen die Regierung in der Türkei. Schon bei den Kundgebungen zum 1. Mai 2013 in Istanbul kam es zu Übergriffen der Polizei auf friedliche Demonstranten. Seither hat sich die Situation extrem verschärft. Viele Demonstranten, darunter auch aktive Gewerkschafter sind inhaftiert. Die türkischen Partnergewerkschaftsverbände KESK und DISK riefen diese Woche zu einem Generalstreik auf. Mit ihren Streiks und Aktionen kämpfen sie für mehr Demokratie und den Ausbau von Gewerkschafts- und Arbeitnehmerrechten. Die IG Metall und IndustriAll sind mit den türkischen Gewerkschaftsverbänden solidarisch. Sie appellieren an die türkischen Sicherheitsorgane, das Recht auf Versammlungsfreiheit zu respektieren und auf Gewalt zu verzichten.

Generalsekretär Jyrki Raina sieht die Aufgabe von IndustriAll Global im Organisieren von Kampagnen zu bestimmten Themen und im Organizing. Darunter versteht man ein Bündel von Maßnahmen zur Mitgliedergewinnung und zur Stärkung der eigenen Durchsetzungskraft gegen unternehmerische Interessen. Eine wichtige Rolle spielt auch der Abschluss von Internationalen Rahmenvereinbarungen für soziale Mindeststandards, um die Globalisierung human zu gestalten. Mit Aktionen der Mitgliedsgewerkschaften wird IndustriAll Global etwa am Tag für menschenwürdige Arbeit am 9. Oktober daran erinnern, dass die Arbeitsbedingungen für viele Menschen noch erheblich verbessert werden müssen.
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