Dreister Fall von Lohnwucher vor Gericht
Halber Tariflohn per Arbeitsvertrag

Schöne neue Arbeitswelt: Im Arbeitsvertrag steht, dass knapp mehr als der halbe Tariflohn bezahlt wird, der Arbeitssuchende unterschreibt, bekommt den Job und alle sind zufrieden – so jedenfalls dachte sich das der Inhaber eines hessischen Autohauses.

27. Januar 201127. 1. 2011


Die Vorgeschichte: Ein junger Mann ließ sich in einem Autohaus zum Mechatroniker ausbilden und wurde dann von dem – tarifgebundenen – Betrieb übernommen. Allerdings mit einer bedeutenden Klausel im Arbeitsvertrag: Arbeitgeber und Arbeitnehmer seien sich einig, dass dieser Vertrag vom Tarifvertrag der IG Metall für das Kfz-Handwerk abweicht. Dementsprechend bekam der junge Facharbeiter statt der tariflich festgelegten 12,10 Euro beziehungsweise später sogar 13,57 Euro nur sieben Euro pro Stunde. Nach einigen Monaten wollte er sich das nicht mehr gefallen lassen; er kündigte und reichte mit Hilfe des DGB-Rechtsschutzes Klage ein. Es geht um 7000 Euro Lohnnachzahlung, Urlaubs- und Weihnachtsgeld und um einige Urlaubstage.

Der Arbeitgeber versteht die Welt nicht mehr: Schließlich habe der Arbeitnehmer bei Vertragsabschluss gewusst und zugestimmt, dass er unter Tarif bezahlt werden würde, gab er bei einem ersten Gütetermin an. Genau das aber untersagt Paragraf 4 Absatz 4 des Tarifvertragsgesetzes. Darin heißt es: „Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig.“ Tarifparteien – das sind die Gewerkschaft und die Arbeitgeberverbände, nicht der einzelne Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Die Klausel im Arbeitsvertrag ist demnach nicht zulässig. Sollte es zu keiner gütlichen außergerichtlichen Einigung kommen, hätte der beklagte Arbeitgeber vor Gericht wohl schlechte Karten.


DGB-Rechtsschutzversicherung lohnt sich

Hans-Peter Brinkmann betreut als Rechtssekretär des DGB Rechtsschutzes den Fall. Hier sei die Sache schon von der Rechtslage relativ eindeutig und der Beschäftigte habe als IG Metall-Mitglied rechtzeitig den DGB-Rechtsschutz eingeschaltet. Meist aber wenden Arbeitgeber sehr raffinierte Methoden an, um die Löhne zu drücken und Kosten zu sparen. Da werden zum Beispiel Teilzeitarbeitsverträge geschlossen, gearbeitet werden müsse dann aber in Vollzeit. Das vor Gericht nachzuweisen sei aber schwierig. Bei einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis würde auch kaum ein Beschäftigter gegen zu niedrigen Lohn vorgehen, meint Brinkmann. Auch soziale oder familiäre Bande zum Arbeitgeber halten Beschäftigte oft davon ab, ihr Recht geltend zu machen.

Brinkmann gibt zu bedenken, dass die niedrigen Löhne auch auf andere Leistungen Einfluss haben: Arbeitslosen- oder Krankengeld, Elterngeld oder die Altersrente werden anhand von früher bezogenen Einkünften berechnet. Gegen Lohnwucher vorzugehen, lohne sich also mehrfach.

IG Metall-Mitglieder können ihren Arbeitsvertrag bei der örtlichen IG Metall Verwaltungsstelle prüfen lassen. Und wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit aufkommen, profitieren Gewerkschaftsmitglieder von kostenloser Rechtsberatung und Prozessvertretung durch den DGB-Rechtsschutz. Die Experten der IG Metall oder des DGB-Rechtsschutzes beraten und vertreten Mitglieder gegenüber ihren Arbeitgebern, den Trägern der Renten-, Kranken oder Unfallversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung.

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