Betriebsratswahl bei Volz
Die Untertanen mucken auf

Viele Jahre gab es bei Volz im Schwarzwald nur einen Herren, der nach Belieben befahl und feuerte. Doch nun haben einige Mutige mithilfe der IG Metall eine Betriebsratsratswahl gewagt. Mit Erfolg. Trotz Psychoterror und Schikanen.


Auf einer grünen Wiese bei Horb im Schwarzwald stellt Volz Luftfilter für die Autoindustrie her. Ein Vorzeigebetrieb, ausgezeichnet mit der Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg, mächtig gewachsen in den letzten Jahren. Und Volz tut viel für Horb, den Fußball- und den Hasenzüchterverein. Sogar ein kleines Fußballstadion sprang heraus.

Die Kehrseite
Die dunkle Kehrseite: Die Herren, Volz Senior und Volz Junior, befehlen über die Untergebenen – und dulden keine Mitbestimmer. Aufstände, wie den Versuch einer Betriebsratswahl vor ein paar Jahren, schlägt Volz nieder. Wer sich mit Volz anlegt, fliegt raus und ist in Horb und Umgebung unten durch. Man kennt sich ja. So war das halt bei Volz in Horb – bis kürzlich ein paar Aufmucker einfach nicht klein beigeben wollten und mit der IG Metall eine Betriebsratswahl durchzogen. Trotz aller Schikanen und Einschüchterungen.

Mitglieder des neuen Betriebsrats bei Volz in Horb: Oxana Rosse, Helena Kosak, Alex Rossoschanski, Konstantin Pahl, Vadim Ivaschin und Elena Miller. Foto: Jürgen Pollak

Mitglieder des neuen Betriebsrats bei Volz in Horb: Oxana Rosse, Helena Kosak, Alex Rossoschanski, Konstantin Pahl, Vadim Ivaschin und Elena Miller. Foto: Jürgen Pollak.

Willkür
„Wir hatten keine Angst mehr. Uns stand es bis hier.“ Der heutige Betriebsratsvorsitzende Alex Rossoschanski hält die Hand in Kinnhöhe. „Hier herrschte völlige Willkür: bei der Bezahlung, bei der Genehmigung von Weiterbildung, bei der Schichteinteilung. Von heute auf morgen wurdest du versetzt. Oder es hieß: morgen Frühschicht. Ohne Rücksicht auf die Familien, auch nicht bei alleinerziehenden Frauen. Und wer seine Meinung sagte – oder nur gerade aus dem Fenster schaute, wenn der Chef kam, flog raus.“

Im August letztes Jahr erfuhr Robert Schuh (Bild unten links) über drei Ecken, dass es bei Volz Interessierte an einem Betriebsrat gibt. Schuh arbeitet bei der IG Metall Freudenstadt und Villingen-Schwenningen und ist speziell für Betriebsratsgründungen zuständig. Mit IG Metall-Aktiven aus anderen Betrieben fuhr er zu Volz.

Geheime Treffen
Kö 23. Hier fanden die geheimen Treffen für die Betriebsratsgründung bei Volz statt.Auf dem Parkplatz verteilten sie Flugblätter und sprachen mit Beschäftigten. „Die waren sichtlich eingeschüchtert, schauten oft in die Richtung, wo der Chef sein Büro hat“, erzählt Schuh. Mit Rossoschanski kam er ins Gespräch. Bald folgte ein geheimes Treffen in der Billard-Kneipe „Kö 23“ (Bild rechts). Nach und nach kamen mehr zu den Treffen im „Kö“ dazu. Vertraute, Bekannte und Verwandte, damit die Chefs nichts erfahren, bevor die Wahl formal eingeleitet ist und die Kandidaten damit Kündigungsschutz haben.

Im Oktober war es dann so weit: Die IG Metall und drei Kandidaten luden auf Flugblättern zur Wahl eines Wahlvorstandes ein. Nachdem Volz die Wahl vor Gericht mit fadenscheinigen Gründen angefochten hatte, klappte es im zweiten Anlauf. Diesmal allerdings mit Kandidaten einer gegnerischen Liste: Meister, Gruppenleiter und die Sekretärin von Volz-Junior. „Die musste in den Wahlvorstandssitzungen öfter weg, um ihrem Chef Kaffee zu kochen“, erzählt Rossoschanski. Doch der Weg zur Betriebsratswahl war frei.

Im Feuer
Nun begann die heiße Phase: Mobbing, Einschüchterung, Verleumdung. Die IG Metall verlange horrende Mitgliedsbeiträge und wolle ja nur Geld machen, hieß es in einem Aushang. Und die sinnlose Wahl kostet viel zu viel Geld, erklärten die Volz. Deshalb gebe es dieses Jahr kein Weihnachtsgeld und zweihundert Beschäftigten müsse gekündigt werden. Außerdem, so ließ Volz Senior über die Presse ausrichten, werde er in die Slowakei verlagern. „Kurz darauf waren slowakische Lieferwagen gut sichtbar um das Werk verteilt geparkt“, erinnert sich Alexander. Der Gipfel war dann, als der Senior-Chef Angst vor der „Russen-Mafia“ schürte. Rossoschanski und viele seiner Mitstreiter sind russisch-stämmig, wie übrigens über ein Drittel der Gesamtbelegschaft.

Die Beschimpfungen, vor allem durch die Lieblinge der Chefs, nahmen zu. Einige der Beschäftigten, die offen mit den IG Metall- Kandidaten redeten, wurden gefeuert. Und während die gegnerische Liste in der Arbeitszeit ungehemmt Wahlwerbung machte, hielten die Chefs die Kandidaten der IG Metall-Liste „Gemeinsam für ein Gutes Leben“ ständig mit neuer Arbeit in Schach und drangsalierten sie am Arbeitsplatz und per Telefon zu Hause. „Die Volz kamen oft bei mir am Arbeitsplatz vorbei“, erzählt die heutige Betriebsrätin Oxana Rosse. „Auf was ich mich da nur eingelassen hätte. Ob ich blöd wäre. Und ich solle lieber gleich gehen.“

Auffallend viele der IG Metall-Kandidaten wurden in den Monaten vor der Betriebsratswahl krank: Nierensteine, Leistenbruch, Migräne. „Ich war oft kurz davor, hinzuschmeißen – oder auszurasten“, gesteht Alex Rossoschanski. „Aber Robert Schuh hat mich am Telefon immer aufgerichtet: gelassen bleiben. Das ist doch genau, was die wollen: demoralisieren, provozieren und die Situation eskalieren lassen.“

Geschafft
Robert Schuh. Foto: Jürgen Pollak.Keiner ist ausgerastet. Und keiner hat hingeschmissen. Heute sitzen elf Betriebsräte in ihrem neuen Betriebsratsbüro. Acht von ihnen sind IG Metall-Mitglieder. Die ersten Sitzungen nach der Wahl fanden noch in einem winzigen Raum ohne Fenster statt. Das neue Büro ist hell und geräumig. An der Wand baumelt eine IG Metall-Fahne, im Regal liegen IG Metall-Broschüren und über der Spüle stehen IG Metall-Tassen. Nächste Woche geht es zum ersten IG Metall-Seminar: Grundlagen der Betriebsratsarbeit. Grinsend schiebt Alex seinen neuen Entwurf einer Urlaubs-Betriebsvereinbarung Robert Schuh über den Tisch zu.

Seit der Wahl gab es keine Kündigungen und keine Schichtänderungen von heute auf morgen mehr. Und es gibt immer mehr IG Metall-Mitglieder. Vielleicht ist so bald mal Tarif drin. Auf jeden Fall eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zunächst geht es jedoch um die Sicherung der Arbeitsplätze: Volz plant tatsächlich seit längerem, in die Slowakei zu verlagern. Das weiß der Betriebsrat heute, aufgrund seiner gesetzlichen Informations- und Mitspracherechte.

Druck vom Kunden
„Das hat die Betriebsratsgründung auf jeden Fall schon errreicht: Die Verlagerung ist erst einmal gebremst“, sagt Robert Schuh. „Deshalb war dem Volz die Wahl auch so ein Dorn im Auge: Die können nicht mehr einfach machen, wie sie wollen.“ Was auch geholfen hat: Kurz vor der Betriebsratswahl kam ein mahnender Brief des Großkunden Daimler an seinen Zulieferer Volz: „Unser Betriebsrat hat uns mehrfach auf mögliche Arbeitsrechtsverletzungen in ihrem Unternehmen aufmerksam gemacht.“ Die Wahl selbst verlief dann ruhig.
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