Betrieb ohne Betriebsrat? Es geht auch anders
Betriebsräte können die Willkür des Arbeitgebers beenden

Ab fünf Beschäftigte können Belegschaften einen Betriebsrat gründen. Das lohnt sich immer: Denn nur mit einem Betriebsrat haben die Arbeitnehmer eine Chance, im Betrieb mitzumischen.

3. November 20093. 11. 2009


Vor allem in der Krise, wenn Jobs gerettet werden müssen, sind Betriebsräte wichtig. Wir haben mit André Arenz von der IG Metall Olpe gesprochen. Er hat schon vielen geholfen, einen Betriebsrat zu gründen.


André, du hast schon in vielen Betrieben Pionierarbeit in Sachen Mitbestimmung geleistet. Was motiviert dich dazu?

André Arenz Ohne Betriebsrat sind die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben der Willkür des Arbeitgebers schutzlos ausgeliefert. Dies möchte ich ändern. Aus meiner Sicht trägt die Gründung von Betriebsräten zur Demokratisierung der Betriebe bei. Wer ernsthaft über seine Zukunft im Arbeitsleben mitentscheiden will, braucht einen mündigen Betriebsrat im Betrieb. Das sagt auch das Motto der nächsten Betriebsratswahl aus: „Kompetenz für gute Arbeit kannst du wählen.“ Nur über die betriebliche Basis können wir es schaffen auch weiterhin als Gewerkschaften die starke Stimme der Arbeitnehmer zu sein.


Wie kann die IG Metall in der Gründungszeit den Arbeitnehmern helfen? Welche Erfahrungen machst du?

Zunächst sorge ich als Gewerkschaftssekretär dafür, zusammen mit den Wahlvorständen eine möglichst rechtssichere Betriebsratswahl durchzuführen. Nach der Wahl ist man als hauptamtlicher Gewerkschafter so etwas wie der „externe Betriebsratsvorsitzende“. Man ist Ideenlieferant für die Betriebsratsarbeit und steht für jede auch noch so kleine rechtliche oder organisatorische Frage jeden Tag und teilweise auch an den Wochenenden zur Verfügung. Die IG Metall lässt die Beschäftigten, die bereit sind an einer Betriebsratsgründung mitzuwirken, nicht alleine. Wir beraten und unterstützen die handelnden Personen vor der Wahl, während und nach der Wahl und stehen ständig als Ansprechpartner zur Verfügung.


Welche Probleme oder Hürden können bei Betriebsratsgründungen auftreten?

Eine große Gefahr ist der Gegendruck des Arbeitgebers. Deshalb versuchen wir die Zeit zwischen der Bekanntgabe, einen Wahlvorstand zu wählen bis zur Wahl eines Wahlvorstandes möglichst kurz zu halten. Auch würden wir niemals die Namen von potentiellen Wahlvorstandsmitgliedern oder Betriebsratskandidatinnen und -kandidaten herausgeben. Der Schutz der handelnden Personen im Betrieb steht an allererster Stelle. Die Namen werden erst bekannt gegeben, wenn der Kündigungsschutz für die entsprechenden Arbeitnehmer greift. Den Arbeitgeber weisen wir darauf hin, dass er alles zu unterlassen hat, was die Betriebsratswahl behindern oder verhindern könnte. Ein weiteres Problem ist, dass drei Personen für den Wahlvorstand gefunden werden müssen und dass sich genügend Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl stellen.


Neue Betriebsräte fangen bei Null an. Wie leistet die IG Metall Starthilfe?

Wir begleiten die Betriebsratsarbeit vom Nullpunkt an sehr intensiv. Ich nehme an allen Betriebsratssitzungen teil, bis dies nicht mehr notwendig ist. Wir machen Betriebsratsschulungen, in denen wir beispielsweise eine Geschäftsordnung und einen Maßnahmeplan für die ersten Monate erarbeiten. Des weiteren bietet die IG Metall Seminare an, bei denen rechtliche Grundlagen und Tipps für die tägliche Betriebsratsarbeit vermittelt werden.


Was können die Betriebsräte im Betrieb verbessern?

Betriebsräte können die Willkür des Arbeitgebers beenden. Sie bestimmen bei sozialen Themen direkt mit und können hier auch initiativ tätig werden. So zum Beispiel bei der Urlaubsvergabe im Betrieb, Anfang und Ende der Arbeitszeit, Pausenregelungen, Gleichbehandlung von verschiedenen Beschäftigtengruppen usw. Auch wenn eine Insolvenz, ein Firmenverkauf oder eine Betriebsschließung droht, können Mitbestimmungsrechte, wie beispielsweise die Aushandlung eines Interessenausgleichs und Sozialplans, nur von einem existierenden Betriebsrat wahrgenommen werden. Gibt es kein Betriebsrat, gibt es auch keine Mitbestimmungsrechte.


Was rätst du Arbeitnehmern, die einen Betriebsrat gründen wollen?

Keine zu großen Treffen oder Veranstaltungen organisieren. Auf keinen Fall im Betrieb abstimmen lassen, wer einen Betriebsrat will. Die Betriebsratsgründung ist ein Grundrecht. Wir lassen ja auch nicht darüber abstimmen, ob die Würde des Menschen unantastbar ist. Das ist in unserer Verfassung geregelt. Die Beschäftigten sollten in möglichst kleiner Runde diskutieren und sich mit der IG Metall vor Ort in Verbindung setzen. Zur Gründung braucht man zunächst nur drei Beschäftigte, die bereit sind, einen Wahlvorstand zu bilden. Die IG Metall organisiert die gesamte Betriebsratsgründung und stellt sich schützend vor die handelnden Arbeitnehmer. Und ganz wichtig: Beschäftigte sollten Mitglied in der IG Metall werden, damit man nicht alleine dasteht.


Was macht einen guten Betriebsrat aus?

Ein guter Betriebsrat braucht engagierte Betriebsratsmitglieder, die bereit sind, sich für die Interessen der Beschäftigten einzusetzen. Man kann eine Menge erreichen, wenn man bereit ist, sich selbst einzusetzen. Natürlich kann man auch Fehler machen, aber nichts machen, ist viel schlimmer. Es gilt wie immer im Leben: „Nicht nur meckern, sondern selbst mitarbeiten für eine gute und bessere Zukunft. Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.“


In der Krise haben viele Angst, ihren Job zu verlieren. Ist es in Krisenzeiten schwieriger, Arbeitnehmer davon zu überzeugen, trotzdem einen Betriebsrat zu gründen?

Wer in der Krise steckt und um seinen Job fürchtet, weiß ja bereits, dass sein Arbeitsplatz gefährdet ist. Wer verhindern will, dass im Entlassungsfall nicht willkürlich und nach „Nasenfaktor“ entschieden wird, sondern sachliche Gründe im Vordergrund stehen, der sollte sofort einen Betriebsrat gründen. Nur so sind die Beschäftigten den Entscheidungen des Arbeitgebers nicht hilflos ausgeliefert, sondern können selbst agieren und mitbestimmen. Es gibt keine ungünstige Zeit, einen Betriebsrat zu gründen. Es kann höchstens zu spät sein, wenn man mit dem Handeln zu lange wartet.

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