11. November 2011
Badische Stahlwerke in Offenburg
Gute Schichtpläne im Stahlwerk
Bei den Badischen Stahlwerken in Kehl sind die Arbeitsbedingungen hart und gefährlich. Große Hitze, Lärm und Staub sind belastend für die rund 850 Beschäftigten. Zudem ist das Stahlwerk an sieben Tagen rund um die Uhr in Betrieb.

Umso wichtiger ist es, die Arbeitsbedingungen so entlastend wie möglich zu gestalten – für den Betriebsratsvorsitzenden Frank Zehe fängt das bei „vernünftigen Schichtplänen“ an.

Als bei den Badischen Stahlwerken Ende der Neunzigerjahre die Wochenarbeitszeit von 37,5 auf 35 Stunden verkürzt wurde, war dies auch der Zeitpunkt für neue Schichtpläne. „Der Umgang mit dem flüssigem Metall zwingt zu Schicht- und vor allem Nachtarbeit“, sagt Ahmet Karademir, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Offenburg. „Obwohl sie dem natürlichen Lebensrhythmus des Menschen, der Regeneration und Erholung zuwiderläuft, müssen wir sie widerwillig akzeptieren und ein möglichst wenig belastendes System finden.“ Deshalb entschied sich der Betriebsrat statt des alten rückwärts rotierenden Vier-Schicht-Systems für neue kurzzyklisch vorwärts rotierende Schichten. Dabei wechseln sich die verschiedenen Schichtzeiten kurzfristig miteinander ab und folgen „vorwärts“ aufeinander: also nach der Frühschicht die Spät- und dann die Nachtschicht. Nach Erkenntnissen von Arbeitswissenschaftlern bringe dieses System die geringsten gesundheitlichen und sozialen Beeinträchtigungen mit sich.

„Am Anfang waren die Widerstände in der Belegschaft groß“, erinnert sich Frank Zehe an die Zeit der Umstellung. Auch er selbst stand der neuen Einteilung zuerst ablehnend gegenüber – „man hat sich mit dem alten System eingerichtet in Familie und Freizeit“. Unter Beteiligung der Belegschaft wurden die neuen Pläne schließlich auf Probe eingeführt – mit der Option auf eine Rückkehr zum Altgewohnten. Der Erfolg war jedoch überwältigend. Nicht nur Frank Zehe ließ sich überzeugen, auch die anderen Kritiker. Das neue System, sagte einer der zuerst Kritischen damals, habe nur einen Fehler: Es hätte 20 Jahre früher schon eingeführt werden sollen. „Den Aufstand würde es heute geben, wollten wir zur zum alten Schichtplan zurückkehren.“

Fast 140 verschiedene Schichtmodelle

Inzwischen gibt es bei den Badischen Stahlwerken fast 140 verschiedene Schichtmodelle in der Arbeitswoche mit sieben Tagen. „Von der Tag- über Zwei-, Drei-, Vier-, Fünf-Schicht und weiterer Varianten gibt es alles“, berichtet Zehe. Nur Dauernachtschicht nicht. Das hält der Betriebsratsvorsitzende für „fahrlässige Körperverletzung“. Jedes Jahr werden die Pläne neu überarbeitet. „Ein Aufwand, den wir betreiben müssen, der sich aber lohnt. Wir lernen ständig dazu.“ Der große Zyklus der Schichtpläne wird immer für fünf Jahre festgeschrieben, zuletzt 2013. „Da fragen wir die Mannschaft, wie wir weiter verfahren sollen.“ Die Befragungsergebnisse zeigten auch, so Zehe, dass der Kreis der Befürworter über die Jahre stetig steigt. Bei der kommenden Befragung 2018 möchte der Betriebsrat erneut sein Modell eines Schichtplans über sechs statt sieben Tage einbringen. „Das wäre für die Beschäftigten noch entlastender“, sagt Frank Zehe, „aber bisher konnten wir damit nicht durchdringen.“

Im Vergleich zur der Zeit vor 20 und mehr Jahren haben sich die Arbeitsplätze der Stahlwerker stark gewandelt. Statt wie früher mit der Lanze in der Hand den Sauerstoff direkt in den Hochofen zu blasen, sitzen die Beschäftigten heute in einem klimatisierten Raum und bedienen mit Joysticks die computergesteuerte Anlage. Wo früher die Handarbeit einen Anteil von 80 Prozent hatte, sind es heute noch 30 bis 40 Prozent. „Die körperliche Belastung wurde reduziert, dafür haben wir nun mehr Stress durch einen immensen Zeitdruck in einem der produktivsten Stahlwerke“, so Zehe. Wurden damals „nur“ rund 600.000 Tonnen Stahl im Jahr produziert, sind es heute mit rund 2,3 Millionen Tonnen fast vier Mal so viel.

In den nächsten Jahren liegt die Herausforderung in der alternsgerechten Gestaltung der Arbeitsplätze. Der Altersdurchschnitt liegt bei über 45 Jahren. „Viele haben mit der Ausbildung angefangen und sind mit 60 mitunter schon 45 Jahre dabei“, sagt Ahmet Karademir. „50 Jahre in dieser schweren körperlichen Arbeit sind fast unmöglich.“ Die Rente mit 67 verschärft die Situation, vor allem auch für Beschäftigte mit Leistungseinschränkungen. Frank Zehe: „Von Jahr zu Jahr wird es schwieriger, sie unterzubringen.“


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