Arbeitszeit neu denken
Ein Tag im Leben von... Guiseppe D’India

Giuseppe D’India hat seit Kurzem zwei Jobs: Produktionsarbeiter bei Opel und Papa. Seitdem hat sich sein Blick auf das Thema Arbeitszeiten geändert. Warum? Wir haben ihn einen Tag lang begleitet.


Seit Alicia auf der Welt ist, macht Giuseppe D’India Doppelschichten. Wenn er Spätschicht hat, bringt er seine 21 Monate alte Tochter morgens in die Krippe. Wenn er Frühschicht hat, holt er sie um 14 Uhr ab. Nach der Frühschicht würde er sich manchmal gern noch eine Stunde aufs Ohr legen. Aber als Papa ist er dann mindestens so gefordert wie bei seinem Arbeitsplatz bei Opel in der Produktion. Mit einem starken Kaffee startet er in die zweite Schicht.

An diesem Freitag hat Giuseppe Spätschicht. Um Viertel vor sieben klingelt der Wecker. Giuseppe macht sich fertig und während er noch im Bad steht, ruft Alicia aus dem Kinderbett: „Papa, Paaapa.“

Er holt die Kleine aus dem Bett, zieht sie an, packt ihre Sachen zusammen, bringt sie in die Krippe und verabschiedet sich bis zum nächsten Morgen. Wenn er am Abend gegen halb zehn wieder nach Hause kommt, wird Alicia schon lange schlafen.

„In der Spätschicht sehe ich die Kleine nur eine Stunde“, sagt Giuseppe. Nach der Frühschicht haben die beiden mehr Zeit. Bei schönem Wetter gehen sie raus in einen nahe gelegenen Park, wo es Esel, Ziegen und andere Tiere gibt. Bei schlechtem Wetter liest Papa Alicia vor oder zählt mit ihr, bis die Kleine anfängt, allein zu zählen. Bei der Betreuung wechselt er sich mit seine Frau ab, die auch Vollzeit arbeitet. Wenn Giuseppe Spätschicht hat, holt sie die Kleine ab. Wenn er Frühschicht hat, fängt sie später an und bringt Alicia in die Krippe.

Viel mitbekommen

Könnte Giuseppe es sich aussuchen, würde er nur Frühschicht arbeiten, selbst wenn das 200 oder 300 Euro im Monat weniger bedeuten würde. „Die Kleine verändert sich so schnell“, erzählt der 31-Jährige. Doch er kann es sich nicht aussuchen und deshalb organisiert er sein Familienleben um seine Schichten herum.

Und trotz Schicht: Giuseppe verbringt viel Zeit mit seiner Tochter. Als seine Frau nach der Elternzeit in den Beruf zurückkehrte, nahm er drei Monate frei. „Ich bin froh, dass ich viel von ihren großen Fortschritten miterlebt habe, ihr erstes Wort, ihre ersten Schritte.“

Auf dem Rückweg von der Krippe kauft Giuseppe ein. Zu Hause bereitet er Essen vor, das er sich abends in der Pause aufwärmen will. Um zehn nach elf fährt er zur Arbeit ins Opelwerk in Rüsselsheim, zieht seine Arbeitskleidung an und ist um 12 in der Halle. Seine Schicht beginnt um 13.15 Uhr. Er hat noch Zeit, mit Kollegen zu reden und sich bei Vertrauensmann Axel Lemke zu erkundigen, was es Neues gibt.

Giuseppe arbeitet seit 2011 bei Opel, davon die ersten vier Jahre als Leiharbeiter. Eine lange Zeit, in der er nur von einem zum nächsten Tag planen konnte. „Ich wusste nicht, ob ich nächstes Jahr noch hier wohne, ob ich mir mal ein eigenes Haus leisten kann und wie es mit meiner Rente aussehen wird“, sagt Giuseppe.

Ganz zu schweigen von den alltäglichen Hürden, mit denen Leihbeschäftigte kämpfen. Wenn Giuseppe eine Wohnung mieten wollte und Gehaltsabrechnungen einer Verleihfirma vorlegte, zog er bei der Auswahl meist den Kürzeren.

Glücksjahr 2015

Für ein Kind entschieden sich Giuseppe und seine Frau trotz Leiharbeit. „Wenn man darauf wartet, dass alles passt, entscheidet man sich nie für Kinder“, sagt Giuseppe. Als die Kleine im Mai 2015 geboren wurde, wusste der junge Vater noch nicht, dass er vier Monate später bei Opel fest angestellt werden würde. Gemeinsam mit dem Betriebsrat hatte er lange darum gekämpft. Erst kam die Tochter, dann der feste Vertrag. „Das war mein Glücksjahr“, sagt Giuseppe.

Um 13.15 Uhr beginnt die Schicht. Giuseppe arbeitet in der Montage an fünf Stationen. Für jedes Auto hat er etwas mehr als eine Minute, um seine Teile einzubauen. „Als Anfänger hat man hier keine Zeit, um ein paar Worte mit Kollegen zu reden“, erzählt Giuseppe. „Aber wenn man die Abläufe kennt, kann man sich auch hin und wieder ein paar Sätze zurufen.“ Allzu viel redet er allerdings nicht während der Schicht. An seinem Platz muss sich jeder konzentrieren, um die richtigen Teile einzubauen. „Wer zu viel redet, wird langsamer“, lacht Giuseppe.

Um Viertel nach sechs macht er eine halbe Stunde Pause, wärmt sein Essen auf. Arbeiten in zwei Schichten, sich um Alicia kümmern, gemeinsame Abende mit seiner Frau – bislang kriegen die drei alles auf die Reihe. Auch als Alicia einmal krank war und nicht in die Krippe konnte, haben sie es organisiert. „Ich hatte Spätschicht, habe mich vormittags um sie gekümmert und meine Frau kam früher nach Hause.“

Zeit für Familie, Beruf und Bildung

Die beiden wünschen sich ein zweites Kind, ein eigenes Haus. Giuseppe möchte sich gern qualifizieren zum Vorarbeiter, zum Meister. Mit seinem Meister hat er schon darüber gesprochen. Er muss noch die Zeit dafür finden.

Um Viertel vor neun ist seine Schicht zu Ende. Giuseppe zieht sich um, fährt nach Hause. 20 Minuten braucht er von Rüsselsheim nach Hattersheim, wo die Familie wohnt. Früher endeten die Spätschichten eine Stunde später. Wenn es sein müsste, würde er das auch wieder machen.

„Aber es ist schon anstrengend, da hat man gar nichts mehr vom Abend, wenn man nach Hause kommt.“ Jetzt hat er noch eineinhalb Stunden mit seiner Frau, bis sie gegen 11 schlafen gehen. Denn spätestens um sieben heißt es wieder: „Papa, Paaapa.“

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