Abbau von Arbeitnehmerrechten in Europa
Immer mehr verlieren den Schutz von Tarifverträgen

Viele Vorstöße der EU-Kommission sollen vorgeblich der Wirtschaft wieder auf die Füße helfen. Die Krise in Europa dient jedoch in Wahrheit als Vorwand, um Arbeitnehmerrechte zu schleifen. „Wer die Gewerkschaften schwächt, öffnet das Tor für schlechte Arbeitsbedingungen“, warnte die IG Metall ...


... aus Anlass ihres „Europapolitischen Tags 2015“.

Viele Vorschläge aus Brüssel zur Überwindung der Wirtschaftskrise weisen aus Sicht der IG Metall in die genau falsche Richtung: Hin zum Abbau von Arbeitnehmerrechten und Arbeitsschutzbestimmungen. Ein Beispiel dafür sind die aktuellen „länderspezifischen Empfehlungen“: Für Frankreich empfiehlt die EU-Kommission, mehr Optionen zu schaffen, um aus Tarifverträgen auszusteigen. „Das ist eine Kampfansage. Für unsere Freunde in Frankreich – und auch an uns“, sagte Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. Frankreich soll nach den Gedankenspielen aus Brüssel Abweichungen von Tarifverträgen ermöglichen, um Unternehmen zu entlasten.

Fatale Konsequenzen

Eingriffe in das Tarifvertragssystem propagiert die EU-Kommission schon seit längerem. Zusammen mit einigen nationalen Regierungen, zum Beispiel in Spanien, wurden die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften in Süd- und Südost-Europa in die Zange genommen, etwa durch Einschränkungen in der Tarifautonomie, einseitig mögliche Lohnkürzungen, Abbau von Kündigungsrechten und Mitbestimmung. Für die IG Metall ein riskantes Spiel mit den Schutzrechten von Beschäftigten. Die Einmischung in das Tarifgefüge einzelner Länder hat bereits zu fatalen Konsequenzen geführt.

Beispiel Portugal: Dort wurde auf Drängen Brüssels nach 2008 eine „Dezentralisierung“ von Tarifverträgen eingeleitet. Ergebnis: Die Zahl der Arbeitnehmer, die nach einem Tarifvertrag bezahlt wurden, ist von 1,9 Millionen im Jahr 2008 bis 2012 auf 328 000 gesunken. Aus der ursprünglich geplanten Dezentralisierung wurde de facto eine Abschaffung von Tarifverträgen.

Maßnahmen greifen nicht

„In den Krisenländern hat ein massiver Eingriff in die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften stattgefunden“, kritisiert Lemb. Von einem Europa mit sozialem Antlitz könne da nicht mehr die Rede sein. „Wer die Gewerkschaften in Europa schwächt, schwächt die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“, sagte Lemb. „Wer die Gewerkschaften in Europa schwächt, sorgt auch dafür, dass den Menschen ein existenzsichernder Lohn verwehrt wird. Wer die Gewerkschaften schwächt, öffnet das Tor für schlechte Arbeitsbedingungen.“

Die sogenannten „länderspezifischen Empfehlungen“ der Europäischen Kommission zeigen, was die Europäische Kommission mit Strukturreformen meint. Die Errungenschaften der Gewerkschaften wie zum Beispiel die Tarifautonomie der Sozialpartner werden in Frage gestellt. Nach Einschätzung Lembs hat der Deregulierungskurs, denn die EU bislang verfolgt, wenig Erfolg gebracht. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Krisen haben kaum gegriffen, die Industrie Portugals, Spaniens oder Frankreichs ist heute nicht stärker und schlagkräftiger als vor fünf Jahren. Im Gegenteil: Die industrielle Entwicklung ist in Spanien und Portugal durch die Sparpolitik nachhaltig zurückgeworfen. Die Gewerkschaften werden gegen diese falsche Strategie weiter Sturm laufen.

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