Berufsausbildungssysteme in anderen Ländern
Ausbildung ist anderswo ganz anders

Andere Länder, andere Ausbildungssysteme. Wo die Unterschiede sind, das zeigt ein Blick über die deutschen Grenzen. Unser System der dualen Berufsausbildung ist international anerkannt. Doch hierzulande setzen ihr Sparmaßnahmen und Schmalspur-Ausbildungsfantasien der Arbeitgeber kräftig zu.

14. August 201314. 8. 2013


In Deutschland beträgt die Jugendarbeitslosigkeit aktuell 7,6 Prozent. Verglichen mit 56,5 Prozent in Spanien und 38,5 Prozent in Italien sind die deutschen Werte fast schon beneidenswert. Ein Erfolgsgeheimnis der deutschen Wirtschaft sei das duale Ausbildungssystem, das die praktische mit der theoretischen Berufsausbildung verbindet. Darin sind sich die Experten einig.

Die zum Teil unbefristete Übernahme wie beispielsweise in der Metall- und Elektrobranche garantiert den jungen Ausgebildeten hierzulande anschließend ein Arbeitsverhältnis. Rund 400 anerkannte Ausbildungsberufe machen so den reibungslosen Übergang von der Ausbildung in die Arbeitswelt möglich. Für die Deutschen ist die duale Berufsausbildung in Betrieb und Berufsschule im Wechsel normal. Außer in Österreich, Luxemburg und teilweise auch in Dänemark ist das duale Modell international verglichen weniger anzutreffen. In den meisten Ländern findet die Berufsausbildung entweder nur in Schulen statt – oder nur in den Betrieben.

Die schulische Ausbildung ist unterschiedlich ausgeprägt. In Skandinavien gibt es beispielsweise neben der schulischen Ausbildung ein paar Praxisanteile. Im Idealfall darf der Auszubildende kleine Projekte in einem Betrieb absolvieren, in der Regel darf er jedoch nur zuschauen. In den seltensten Fällen darf der Azubi selbst etwas machen.


Schulische Berufsausbildung am Beispiel Frankreich 

Die vollzeitschulische Ausbildung ist in Frankreich immer noch das meistgenutzte Mittel, eine berufliche Qualifikation zu erreichen. Ein französischer Schüler, der einen Beruf erlernt, hat keinen Ausbildungsvertrag. Die Auszubildenden erwerben meist ein allgemeines Zertifikat, dass sich nicht auf einen bestimmten Beruf konzentriert, sondern als „Eintrittskarte“ dient für höhere Ausbildungen oder konkrete Stellen.

Grundsätzlich haben die Auszubildenden in Frankreich mehrere Möglichkeiten, ihre Zertifikate zu erwerben. Anders als in Deutschland ist ein Abschluss nicht an einen Schultyp gebunden. Die Auszubildenden können verschiedene Schul- oder Ausbildungswege wählen. Das Berufsbefähigungszeugnis (CAP) beispielsweise erhalten sie entweder über eine Vollzeitschule oder über eine Art betriebliche Lehre.

An der französischen Berufsausbildung sind mehrere Akteure beteiligt. Dabei sind Staat und Schulen organisatorisch und kontrollierend die Hauptzuständigen. Das Arbeitsministerium bestimmt über den Betrieb als Lernort, das Bildungsministerium über Prüfungen, Abschlüsse sowie die Organisation der beruflichen Bildung. Daneben sind noch Betriebe und Kammern involviert. Diese spielen aber nur eine Nebenrolle. Das liegt hauptsächlich daran, dass die Berufsausbildung in Frankreich in weiten Teilen schulisch durchgeführt wird.

Mittlerweile versucht das Land, schulische und betriebliche Ausbildungsphasen zu kombinieren (Alternanz). Auf diese Weise will der französische Staat gewährleisten, dass die Schüler schon während der Ausbildung die praktischen Anforderungen eines Betriebes kennenlernen.


„Learning by doing“ im Betrieb am Beispiel USA

Der Großteil der in Amerika arbeitenden Menschen hat seinen Beruf praktisch durch „learning by doing“ erlernt. Die Vermittlung der theoretischen Grundkenntnisse findet in der Regel vor der betrieblichen Ausbildung in den „Community Colleges“ statt.

Bei der Berufsvorbereitung am Community College gibt es zwischen den Bundesstaaten große Unterschiede. Die Wirtschaft und der jeweilige Bundesstaat legen fest, welche Inhalte an den Schulen vermittelt werden. Dementsprechend gibt es auch keine einheitliche Ausbildungsverordnung.

Die Berufsvorbereitung beginnt mit der Vermittlung allgemeiner Basiskenntnisse an den Community Colleges und dauert zwei Jahre. Parallel können die Berufsschüler ihre Qualifikationen durch diverse Praktika erweitern. Der Abschluss am Community College ermöglicht dann den Zugang zum eigentlichen College. Das College in den USA entspricht in etwa der Bildungsform einer deutschen Universität. Um in den USA einen besser bezahlten Job zu bekommen, benötigen junge Menschen in den meisten Fällen einen College-Abschluss. Das College kostet jedoch viel Geld, was sich viele Familien schlicht nicht leisten können. Das führt zu einer immensen sozialen Ungerechtigkeit.

Was das Erlernen eines konkreten Berufes in den USA angeht, setzen die Amerikaner auf das Konzept „Learning by doing“: Einfach anfangen, selbst schauen, wie man klarkommt, anlernen und anlernen lassen. Nach diesem Prinzip geht es auch in der späteren Berufsbildung weiter. Von den Arbeitnehmern wird erwartet, dass sie selbstständig ihr Wissen dem technischen Fortschritt anpassen und sich weiterbilden.


Deutsches duales System als Exportschlager

Die duale Berufsausbildung in Deutschland gilt heute international als eine der renommiertesten Ausbildungsformen. Sie ist praxisnah und bringt eine hohe Anzahl von gut qualifizierten Absolventen in betriebliche Jobs – vor allem dort, wo aktive Gewerkschafter, Betriebsräte und Jugendvertreter sich dafür einsetzen.

Rein schulische Ausbildungsgänge gibt es in Deutschland in personenbezogenen Dienstleistungsberufen. In der Industrie hat sich das duale System durchgesetzt. Über 80 Prozent der Auszubildenden werden in mittleren und kleinen Unternehmen ausgebildet. Industrielle Unternehmen produzieren vor allem Qualitätsprodukte im Hochpreissegment des Weltmarktes. Ihr Rückgrat sind gut qualifizierte und praxisorientierte Fachkräfte, die sich dem technischem Fortschritt anpassen. Genau das leistet die duale Berufsausbildung.


Probleme des deutschen dualen Systems

Ein zentrales Problem der deutschen Berufsbildung ist die Durchlässigkeit: Der Zugang zur Hochschule war für Ausgebildete lange Zeit schwer. Durch die Öffnung der Hochschulen gemäß Beschluss der Kultusminister 2009 wird momentan versucht, jungen Facharbeitern das Studium ohne Abitur zu erleichtern.

Ein weiteres Problem im dualen Bildungssystem ist die eingeschränkte Mitbestimmung von Betriebsräten und Jugendvertretern an Berufsschulen. Der gesetzlich legitimierte Einfluss dieser Gremien ist nicht mit dem von gewählten Klassensprechern oder Schülervertretungen zu vergleichen. Die im Betrieb bewährte Mitbestimmung stößt hier an Grenzen. Eine vergleichbare Mitbestimmungskultur wie sie in den Betrieben und Universitäten stattfindet, existiert an den Berufsschulen leider nicht.


Duale Berufsausbildung in Gefahr

Der öffentliche Geldmangel, verschärft durch die Schuldenbremse, beschert deutschen Berufsschulen große finanzielle Probleme. Dadurch ist die Qualität des schulischen Teils der dualen Ausbildung in Gefahr.

Zusätzlich drängen Arbeitgeber häufig auf mehr schulische Ausbildungen, die sie selbst nichts kosten und überwiegend von den Azubis selbst finanziert werden müssen. Oder auf sogenannte „Schmalspur-Ausbildungen“, in denen in möglichst kurzer Zeit ein Job sehr oberflächlich erlernt wird oder sich an aktuellen betrieblichen Anforderungen orientiert. Die Folge sind oftmals der Stillstand der persönlichen Weiterentwicklung sowie fehlende Zukunftsperspektiven bei einem Verlust des Jobs. Dagegen wehrt sich die IG Metall. Sie wird sich auch zukünftig einmischen, um insbesondere jungen Menschen eine Zukunft mit Perspektive zu ermöglichen.

 

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