Interview mit Janine Bernhardt vom Wissenschaftszentrum Berlin
Den Gegensatz Vollzeit-Teilzeit aufbrechen

Janine Bernhardt erforscht die Bedingungen und Ursachen dafür, wie Arbeit in Familien aufgeteilt wird. Eine Erkenntnis: Beim Thema Teilzeit scheitern Frauen nicht nur an Männern. Bernhard ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB).

12. März 201512. 3. 2015


Warum ist Teilzeit für Frauen beruflich oft eine Sackgasse?
Janine Bernhardt:
Das hat viel mit unserer Arbeitszeitkultur zu tun und damit, was bei uns Standard ist.

Wie sieht der Standard aus?
Den Standard setzt immer noch der Beschäftigte, der Vollzeit arbeitet. Interessanterweise scheitern Frauen in Teilzeit an Männern und Frauen. Als Führungskraft ziehen auch Frauen eine Vollzeitkraft, die immer verfügbar ist, einer Teilzeitkraft vor, die bis zum Mittag reinhaut, nach Hause geht und abends im Homeoffice weiterarbeitet. Darauf deuten zumindest erste Ergebnisse unserer aktuellen Untersuchung hin.

Warum sind Vorgesetzte oft so unflexibel?
Führungskräfte sind keine Unmenschen. Manche handeln möglicherweise so, weil ihnen die Ressourcen fehlen, um die Arbeit mit mehreren Teilzeitkräften zu organisieren. Oft ist es eher fürsorglich gemeint. Sie hat ja jetzt ein Kind, sie kann das nicht alles schaffen. In den USA spricht man vom Flexibility Stigma. Danach werde Müttern unterstellt, dass sie mit der Geburt ihre Prioritäten verlagern. Bei Männern in Teilzeit passiere etwas Ähnliches. Sie gelten als weniger durchsetzungsstark. Ihr Umfeld spreche ihnen berufliche Ziele neben den Kindern ab. In männerdominierten Betrieben hat es der Einzelne da schwer, voranzugehen.

Auch Männer würden Arbeitszeit gerechter verteilen. Warum ändert sich so wenig?
Im Berufsleben sehen Männer ja, was mit Frauen in Teilzeit passiert. Sie sehen, wie Karrierewege abgeschnitten werden. Wir müssen von diesem Vollzeit- Teilzeit-Gegensatz wegkommen. Wenn kürzere Arbeitszeiten nicht mehr Teilzeit heißen, werden sie von Männern eher angenommen. Es gibt Betriebe, da heißt Teilzeit etwa Vollzeit light oder Wahlarbeitszeit. Das kommt viel besser an.

Wie weit sind wir von einer echten Balance im Leben noch entfernt?
Noch ziemlich weit. Wir brauchen viel mehr Möglichkeiten, Arbeitszeiten mal rauf- und mal runterzufahren. Arbeitszeit kann nicht auf der individuellen Ebene umverteilt werden. Der Staat darf Familien damit nicht alleinlassen. Das Elterngeld war ein richtiger Impuls. Man könnte den Anteil der Vätermonate schrittweise erhöhen. Je länger die Männer bei ihren Kindern sind, desto mehr würden sich die Rollen verändern.

Also kürzere Arbeitszeiten für alle?
Es geht vor allem um eine Umverteilung – innerhalb der Paare und des Erwerbsverlaufs. Denn damit werden auch Chancen neu verteilt.

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