Undercoverrecherche Homeoffice
Jeden Tag zum Rapport

Homeoffice läuft nicht überall wie gedacht. Betriebe verhindern das Arbeiten von zu Hause und setzen ihre Beschäftigten einem erhöhten Infektionsrisiko aus. Betroffene berichten von Mobbing und Misstrauen.

1. März 20211. 3. 2021


Eigentlich ist die Sache klar. Überall, wo es möglich ist und keine zwingenden betriebsbedingten Gründe dagegen sprechen, müssen Arbeitgeber Homeoffice anbieten. So steht es in der Corona-Arbeitsschutzverordnung vom 27. Januar. In der Realität verweigern Arbeitgeber immer wieder Beschäftigten die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten.

Über Instagram erreichen die IG Metall zahlreiche Beschwerden von Beschäftigten. Sie beklagen mangelndes Zutrauen von seiten der Vorgesetzten in die Arbeitsdisziplin, aber auch zunehmenden Leistungsdruck. Wir haben mit ihnen vertraulich gesprochen und dokumentieren die Statements von Beschäftigten, die anonym bleiben wollen, weil sie Angst haben.

  • „Ich arbeite in der Buchhaltung einer Maschinenbaufirma und bin in der IG Metall aktiv. Da ich eh schon persona non grata bin und schon mehrmals zum Personalchef vorgeladen wurde, kann ich meinen Namen nicht öffentlich machen. Unser Betrieb ist gerade in Insolvenz. Ein Viertel der Belegschaft muss gehen. Der Zukunftssicherungsvertrag wurde durch die Insolvenz ausgehebelt. Der Betriebsrat wurde nicht informiert. Es musste alles schnell, schnell gehen. Mein Arbeitsbereich ist eigentlich prädestiniert für Homeoffice. In unserem Team hat jeder zwei Tage Homeoffice beantragt. Das wurde mit Ach und Krach bis Ende Februar bewilligt. Die Chefs wollen, dass immer einer präsent ist. Eine Schwangere hat Angst weg Corona. Aber auch sie darf nur zwei Tage von zu Hause arbeiten. Viele stehen vor dem Burnout und sind fix und fertig. Viele gehen zum Arzt oder Psychologen. Sobald der Arbeitsstress vorbei ist, liege ich am Wochenende flach mit Migräne und Kopfschmerz. Allen geht das so. Die Nerven liegen blank.
     

 

  • „Ich arbeite in einem Betrieb in Baden-Württemberg. Ob jemand bei uns von zu Hause arbeiten darf, kommt sehr auf den Vorgesetzten an. In der Praxis wird das oft umgangen. Mein direkter Vorgesetzter ist bei dem Thema Homeoffice sehr unbeweglich. Schon ein Tag nicht ins Büro zu müssen, ist extrem erklärungsbedürftig. Montags habe ich den ganzen Tag Onlinemeetings. Erst nach langem Zögern wurde mir dieser eine Tag Homeoffice gewährt. Der Witz ist, dass die Chefs selbst zum größten Teil von zu Hause arbeiten, uns aber Steine in den Weg legen. Dass ich meinen richtigen Namen nicht veröffentlicht haben will, hat seine Gründe. Unser Betrieb ist bei Presse sehr vorsichtig. Ich bin in der IG Metall und engagiere mich in mehreren Gremien. Ich musste lang kämpfen, dass ich meine Arbeit für die IG Metall machen konnte. Unser Betriebsrat verhandelt jetzt, weil die Produktion geschlossen werden soll. Alle unter 50 in der Produktion müssen im März gehen. Die über 50 dürfen bis Dezember bleiben. Hätte ich nicht meinen JAV-Job, wäre ich auch entlassen worden. Aber mir tun die Kolleginnen und Kollegen leid. Unser Betrieb schrumpft von 2400 auf 2100 Beschäftigte.“  


Beim Thema Homeoffice winden sich die Betriebe aus der Verantwortung:

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Liebherr-Werke Ehingen beklagen, ihnen würden „Steine in den Weg gelegt“. Der Geschäftsführer sei strikt gegen Homeoffice, obwohl die Arbeit im technischen Büro, wo Mobil- und Raupenkrane geplant werden, gut von zu Hause erledigt werden könne. Beschäftigte des Sensorspezialisten Rafi kritisieren eine „sehr umständliche Regelung“ im Betrieb. Maximal dürften die Mitarbeiter fünf Tage am Stück „mobil arbeiten“. Danach gelte wieder Präsenzpflicht. Für jeden Tag im Homeoffice müsse ein Rapportzettel ausgefüllt und an den Vorgesetzten geschickt werden. Unterm Strich arbeiteten derzeit viel weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Homeoffice als im ersten Lockdown.

Die Corona-Verordnung gilt zunächst bis 15. März. Firmen, die sich nicht an die Verordnung halten, und Mitarbeiter grundlos ins Büro holen, drohen Bußgelder bis zu 30 000 Euro.

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