Fünf Jahre Rana Plaza
„Ein Mahnmal gegen rücksichtslose Ausbeutung“

Vor fünf Jahren stürzte in Bangladesch die Textilfabrik Rana Plaza ein. Dort wurde Billigkleidung auch für den deutschen Markt produziert. Nach dem Unglück verpflichteten sich Unternehmen auf Druck der Gewerkschaften zu höheren Sicherheitsstandards.

24. April 201824. 4. 2018


Vor fünf Jahren brach in Bangladesch das achtstöckige Fabrikgebäude Rana Plaza in sich zusammen. Auslöser war ein Stromausfall am Morgen des 24. April. Als die Generatoren der Textilfabrik anliefen, brachten die Vibrationen das Gebäude zum Einsturz. Risse, die kurz vorher entstanden waren, hatten die Vorgesetzten wissentlich ignoriert und die Beschäftigten zur Arbeit gezwungen. 1138 Menschen starben bei diesem bisher größten Unglück in der Geschichte der Textilindustrie. Über 2000 wurden zum Teil schwer verletzt. Ursache war grobe Fahrlässigkeit. Beim Bau der Fabrik hatte man minderwertige Materialien verwendet und das Gebäude um mehrere Etagen illegal aufgestockt. „Die Katastrophe von Rana Plaza zeigt, was rücksichtslose Ausbeutung in der globalen Lieferkette und Billigpreise mit sich bringen“, sagt Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, zum Jahrestag des Unglücks.

Bloß raus aus dem Gebäude

Auch dieses Jahr erinnern am 24. April Tausende von Betroffenen an das Ausmaß der Katastrophe. 3500 Menschen arbeiteten zum Zeitpunkt des Unglücks in dem Gebäude. Es sind tragische Erfahrungen, von denen Menschen berichten, die damals am Unglücksort waren. Einer von ihnen, Sojol Mitra, versuchte, sich in der Panik ins Freie zu retten. „Ich bin im Treppenhaus gestürzt und die Menschen liefen über mich hinweg. Ich weiß noch, ich dachte, ich sterbe“, erinnert er sich. Doch er hatte Glück. Er wurde gerettet und wachte im Krankenhaus auf. Sojols Freund und Kollege Jamal, der wie er in der fünften Etage des Gebäudes arbeitete, wurde nie mehr gefunden. Sojol ist bis heute traumatisiert und leidet unter Panikattacken. Er ist in sein Dorf im Norden von Bangladesch zurückgekehrt und arbeitet jetzt auf einer Hühnerfarm, weit weg von Rana Plaza.

Nach dem Kollaps der Fabrik setzten die Gewerkschaftsdachverbände, darunter IndustriALL Global, ein Abkommen zum Brand- und Gebäudeschutz in Bangladesch durch, den „Bangladesh Accord“. Es war ursprünglich für fünf Jahre vereinbart worden und wurde jetzt um drei weitere Jahre bis 2021 verlängert. Auf internationalen Druck hin haben über 200 Textilunternehmen das Abkommen unterzeichnet, darunter auch die deutschen Firmen C&A, KiK, Tchibo, Aldi, Lidl und Otto. Große internationale Firmen wie H&M, Inditex, Primark, Benetton, Mango und Esprit sind dabei.

Globale Verantwortung

Die Arbeiter bekommen durch das Abkommen das Recht, bei gravierenden Sicherheitsmängeln ihre Arbeit niederzulegen, ohne sanktioniert zu werden. Von einem Hersteller wurde kürzlich eine Millionenzahlung für Brandschutz geleistet. Die Überprüfung der Fabriken auf Sicherheitsmängel ist jedoch eine Daueraufgabe. Die Fabriken können heute sicher sein, aber wenn morgen die Feuertüren blockiert werden, ist die Sicherheitslage eine ganz andere, beklagen Experten, die die Situation im Land kennen. Was die Textilbeschäftigte nicht nur in Bangladesch, sonern in den globalen Lieferketten weltweit brauchen, sind höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und eine anerkannte gewerkschaftliche Vertretung. Nötig ist auch ein verschärftes Haftungsrecht, das deutsche Unternehmen im Ausland auf Arbeitssicherheit und bessere Arbeitsbedingungen verpflichtet. „Die Opfer von Rana Plaza dürfen nicht umsonst gestorben sein“, mahnt Wolfgang Lemb.

Der Druck gerade von von Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaftsverbänden wie IndustriALL hat jedenfalls entscheidend dazu beigetragen, dass die Arbeitsbedingungen von Millionen Textilarbeitern im Land heute besser sind, sagt Jörg Hofmann, Präsident von IndustriALL Global und IG Metall-Vorsitzender. „Rana Plaza ist ein Mahnmal gegen rücksichtlose Ausbeutung“, so Hofmann. „Der Bangladesh Accord zeigt, dass es auch anders geht. Wir entlassen die Konzerne nicht aus der Pflicht, für menschenwürdige Arbeitsverhältnisse zu sorgen ―  weltweit.“

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