Ezgi K. ist die Respekt-Person im Juni 2015
„Ehrenamt ist, wenn man einen Fußabdruck hinterlässt“

Sind Frauen das schwächere Geschlecht? Für Ezgi K. ist klar, dass es sowas nicht gibt. Schon der Gedanke, als schwach angesehen zu werden, kränkt sie persönlich. Deshalb engagiert sie sich bei den Frauen der IG Metall in Salzgitter.

30. Juni 201530. 6. 2015


Für Ezgi K. ist die ehrenamtliche Tätigkeit selbstverständlich. Ob im Kulturverein oder im Frauen- und Migrationsausschuss der IG Metall. Hauptsache politisch. Sechs Monate lang hat sie während eines Praxissemesters in der IG Metall Salzgitter-Peine in den gewerkschaftlichen Alltag geschnuppert und „Blut geleckt“. Nach dem Praktikum beschloss die Deutsch-Türkin ihre Arbeit ehrenamtlich fortzuführen.

Eine Selbstverständlichkeit

Ezgis Eltern wurden in ihrer türkischen Heimat politisch verfolgt. In den 80er Jahren wanderten sie dann nach Deutschland aus. „Seitdem ich denken kann, sind meine Eltern politisch aktiv und ehrenamtlich engagiert. Deswegen war die ehrenamtliche Tätigkeit für mich immer selbstverständlich“, sagt Ezgi. Das Beste war bisher ein 20-minütiges Theaterstück anlässlich des Internationalen Frauentages. Im Frauenausschuss wurden die Themen gemeinsam ausgesucht, das Stück geplant und geschrieben. Ezgi spielte das Krokodil und damit den bösen Arbeitgeber, der Druck macht und gegen die Frauenquote wettert. „Das war so ein schönes Gefühl, dass man Leute um sich herum hat, die gleich denken, die gemeinsam an einem Strang ziehen. Wir haben natürlich viel gelacht. Und wir haben Menschen erreicht. Am Ende war der Applaus die schönste Belohnung“, schwärmt sie.

Frauensache

In Salzgitter arbeitet Ezgi in einem großen Industriebetrieb am Fließband, um sich neben dem Studium etwas dazu zu verdienen. Die Stadt ist ein Industriestandort. In diesem Sektor sind nach wie vor viel weniger Frauen als Männer beschäftigt. „Leider beobachte ich, dass man sich immer noch unterschwellig über Frauen lustig macht. Sobald sie in der Minderheit sind, werden sie nicht ernst genommen. Es kränkt mich persönlich, dass Frauen als das schwächere Geschlecht gesehen werden. Andererseits müssen sie auch aufstehen und sich wehren.“ Für Ezgi gibt es kein schwächeres oder stärkeres Geschlecht, vielmehr könne jeder mit dem nötigen Willen alles schaffen, was er sich vornimmt.

„Sie haben mir gerade gezeigt, dass ich nicht dazugehöre.“

An eine Situation in der 12. Klasse im Geschichtsunterricht erinnert sich Ezgi nur ungern zurück. Sie konnte als Einzige eine Frage zum Christentum beantworten. Daraufhin wandte sich der Lehrer an die Klasse mit den Worten: „Sagt mal Leute, wollt ihr euch jetzt das Christentum von einer Muslimin erklären lassen?“ Ezgi meint rückblickend, es war vorwurfsvoll an die Klasse gerichtet. Dennoch hat es sie sehr gekränkt und persönlich getroffen. „Es war ein Schlüsselerlebnis für mich, weil ich erkannte, dass ich nicht so dazu gehörte, wie ich immer dachte. Es hat aber auch meinen Blick geschärft, dafür, wie ich mich selbst und wie mich andere wahrnehmen.“

Der Fußabdruck

Ezgi wünscht sich, mit viel mehr Studenten ihr politisches Interesse zu teilen. Wenn es nach ihr ginge, sollte sich jeder engagieren, der mit seiner Situation oder den politischen Verhältnissen unzufrieden ist. „Wenn man spürt, dass etwas nicht richtig läuft, dann sollte man seinen Unmut in Energie umwandeln und etwas tun. Wenn es den Arbeitsplatz betrifft, kann man sich an eine Gewerkschaft wenden. Wenn es um Diskriminierung geht, kann man sich an Initiativen und Vereine wenden.“ Mit Menschen zu kooperieren, die dasselbe empfinden, die die gleichen politischen Meinungen und Ziele haben, sei das Größte. „Da kann man Spuren hinterlassen. Einen kleinen Fußabdruck. Und das ist schon eine Ehre. Deswegen auch Ehrenamt – man hinterlässt etwas.“

Text: Hendrikje Borschke

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