Dieselaffäre belastet Autohändler
KFZ-Handwerker als Blitzableiter

Die Dieselaffäre trifft die Beschäftigten im Autohandel und in Kfz-Werkstätten doppelt hart. Sie verkaufen weniger Autos und Dieselautobesitzer lassen gerne ihren Frust an ihnen aus.

19. Juni 201819. 6. 2018


Die Beschäftigten im Kfz-Handwerk leiden zunehmend unter den Folgen der Dieselaffäre. „Was im Service noch verdient wird, geht im Verkauf wieder verloren“, klagt Martin Lenckowski, Betriebsratsvorsitzender im Volkswagen- und im Audi-Zentrum Dortmund. Zwar sorgten Massenrückrufe und Software-Updates für zusätzliche Arbeit in den Werkstätten. Aber es sind Garantieleistungen, die kaum etwas einbringen ― zumal sie, um die Menge an Updates schaffen zu können, zusätzliche teure Diagnosegeräte anschaffen mussten.


Hauptproblem der Autohändler ist aber, dass sie weniger Autos verkaufen, weil potenzielle Käuferinnen und Käufer verunsichert sind, Fahrverbote fürchten und die Anschaffung neuer Wagen darum hinauszögern. Fahrzeuge stehen in Massen auf Halde. Und für die Autos, die verkauft werden, gibt es nicht mehr die gewohnten Erlöse. Einen Gebrauchtwagen, mit dem Händler vor der Dieselkrise 1500 Euro Gewinn machten, geben sie jetzt für 400 bis 500 Euro ab, berichtet Lenckowski.


Minus im Portemonnaie

Einen großen Teil des Gebrauchtwagengeschäfts machen Autohäuser mit geleasten Dienstwagen, meist Dieselfahrzeuge. Vor drei Jahren startete Audi eine bundesweite verkaufsfördernde Aktion mit Euronorm-5-Fahrzeugen. Die Pkw kommen jetzt nach und nach zurück. „Mit den Autos aus dieser Aktion, die wir für einen bestimmten Preis wieder annehmen müssen, machen wir beim Weiterverkauf 2000 bis 3000 Euro Minus“, rechnet Lenckowski vor.


Für die Beschäftigten machen sich die Verluste unmittelbar im Portemonnaie bemerkbar. Die Gewinnbeteiligung im Volkswagen-Zentrum Dortmund, 2016 noch knapp 1000 Euro, war schon im letzten Jahr auf 400 Euro zusammengeschrumpft. „Dieses Jahr“, sagt Lenckowski, „können wir froh sein, wenn wir überhaupt noch Gewinn machen“.


An der Belastungsgrenze

Zum finanziellen Schaden kommt der Stress hinzu: „Die Dieselaffäre hat viele Kollegen an den Rand der psychischen Belastungsgrenze gebracht“, schildert Lenckowski. „Wir, die Beschäftigten im Verkauf und Service, waren die Blitzableiter. Uns haben die Kunden mit Fragen und Klagen überhäuft. An uns haben sie ihre Wut abreagiert.“ Die Beschäftigten in den Kfz-Betrieben sind zwar unschuldig an den Abgasbetrügereien, aber die Verantwortlichen bei den Herstellern sind weit weg und nicht greifbar ― die Autohändler dagegen schon.


Zukunftsangst

So wie in dem Dortmunder Autohaus sieht es zurzeit in vielen Autohäusern der Republik aus. „Das Zusammenbrechen des Gebrauchtwagenmarkts kann für viele Händler existenzbedrohend werden“, sorgt sich Sebastian Fersterra, der beim IG Metall-Vorstand für das Kfz-Handwerk zuständig ist. Und damit müssen sich auch die Beschäftigten Sorgen um ihre Zukunft machen. Fersterra sieht neben den Autoherstellern vor allem die Politik in der Verantwortung. Sie muss endlich klare Entscheidungen treffen, damit die Fahrer und Käufer von Dieselautos, die Fahrverbote fürchten, endlich wissen, woran sie sind. „Je länger die Unsicherheit anhält, desto schwieriger wird die Situation für das Kfz-Handwerk.“.


Neuer Test sorgt für Lieferengpässe

Den nächsten Ärger kann der neue Abgastest WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) bringen. Neue Fahrzeugtypen dürfen ab September in der Europäischen Union nur auf den Markt kommen, wenn sie diesen Test bestehen, der den tatsächlichen Kraftstoffverbrauch und die Schadstoffemissionen besser abbildet als bisherige Verfahren. Rund 500 Genehmigungen stehen noch aus. Bei einigen Modellen gibt es Lieferengpässe. Einige Hersteller haben angekündigt, dass sie einige Modelle ganz aus dem Programm nehmen, weil es zu aufwändig sei, die nötigen Partikelfilter einzubauen.

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