Dieselaffäre
Der Diesel muss sauberer werden

Der Autoexperte der IG Metall Frank Iwer erklärt, warum Dieselautos weiter gebraucht werden und warum die deutsche Autoindustrie sich insgesamt mehr anstrengen muss.

14. Juni 201714. 6. 2017


Nach der Dieselaffäre drohen schärfere Abgastests und Fahrverbote in Städten. Das Image von Dieselautos ist ramponiert, der Verkauf geht zurück. Stirbt die Dieseltechnologie einen Tod auf Raten?


Frank Iwer: Es wäre schlecht, wenn das passieren würde. Denn ohne Dieselfahrzeuge schaffen wir es nicht, den Ausstoß von CO2, also Kohlendioxid, so zu verringern, wie die Politik ab 2020 vorgibt. Dieselmotoren emittieren 20 Prozent weniger CO2 als Benzinmotoren. Den Schaden hätte nicht nur das Klima, sondern auch die Autoindustrie. Sie müsste Milliarden an Strafen zahlen, wenn sie die Grenzwerte für CO2 nicht einhalten kann.
 


Wie lässt sich das Blatt denn wenden?

 

Tatsache ist: Sauberer Diesel ist technisch möglich, allerdings nicht zum Nulltarif. Tatsache ist aber auch, dass die Glaubwürdigkeit des Dieselantriebs stark gelitten hat – weil fast alle Hersteller die Vorgaben nicht eingehalten haben. Und daran ändert sich nichts, wenn in den Medien jede Woche über einen neuen Skandal berichtet wird. Schon seit Beginn der Dieselaffäre fordert die IG Metall eine Transparenzoffensive und eine Kampagne Sauberer Diesel. Die Hersteller müssen die Probleme ehrlich benennen und klar sagen, wo Nachholbedarf besteht. Sie müssen mehr in saubere Technologien investieren.

 


In China beteiligt sich die deutsche Industrie daran, Elektroautos zu bauen. In Deutschland ist diese Waffe im Kampf gegen das klimaschädliche Kohlendioxid noch ziemlich stumpf.


Iwer: In China ist die Entwicklung rigider durch staatliche Vorgaben steuerbar als hier. Es wurde staatlich festgelegt, dass schon ab 2020 acht Prozent aller neuzugelassenen Autos Elektrofahrzeuge sein sollen. Das sind gut eine Million Wagen pro Jahr. Deutsche Autohersteller sind über Gemeinschaftsunternehmen beteiligt. In Deutschland kommt der Umstieg auf Elektroautos so lange nicht in Schwung, wie die Probleme – hoher Preis, fehlende Batterieladepunkte und geringe Reichweite – nicht gelöst sind. In den nächsten Jahren wird zwar einiges passieren, zum Beispiel fördert der Bund Ladepunkte mit 300 Millionen Euro. Aber vor 2020 werden wir Elektroautos wohl noch nicht in größerer Zahl auf deutschen Straßen sehen.


Die Post hat jetzt den Streetscrooter, einen Elektrolieferwagen, im Einsatz. Also geht es doch.


Für private und kommunale Dienstleister mit eigener Fahrzeugflotte, die primär in Ballungszentren auf kurzen Strecken unterwegs sind, wie Paketdienste oder Taxifirmen, ist das einfacher. Sie können die Fahrzeuge auf ihren Betriebshöfen aufladen. Darum bieten sie sich für den Einstieg in die Elektromobilität an. Diesen Markt haben die Autohersteller bisher verschlafen.


Wenn es so viele Probleme gibt: Warum dann überhaupt auf Elektrofahrzeuge setzen?


Die IG Metall legt sich nicht auf eine Antriebsart fest. Es wird noch lange herkömmliche Verbrennungsmotoren geben, daneben Hybride aus Verbrennungs- und Elektromotor, reine Elektroautos oder auch solche, die mit Brennstoffzelle fahren. Darum lässt sich auch noch nicht genau prognostizieren, wie sich künftige Entwicklungen langfristig auf die Arbeitsplätze auswirken werden. Aber die Umwelt- und Klimaprobleme führen dazu, dass die Politik immer mehr Vorgaben machen wird, die die Autobranche zwingen, umweltfreundliche Mobilitätskonzepte anzubieten. Elektroautos werden zunehmen, Benzin- und Dieselfahrzeuge müssen sauberer werden. Wenn die deutsche Industrie bei dieser wichtigen Zukunftstechnologie nicht gegenüber ausländischen Wettbewerbern ins Hintertreffen geraten will, muss sie massiv in die Elektromobilität investieren. Dazu gehören auch eine eigene Batteriezellenfertigung und Batterierecycling.
 


Wie mischt sich die IG Metall ein, damit die Arbeit bei den anstehenden technologischen Umwälzungen sicher bleibt?

 

Wir fordern Betriebe und Unternehmen auf, mit den Betriebsräten eine Bestandaufnahme zu machen. Es geht darum zu klären, wie stark und in welchem Zeitraum ein Betrieb betroffen sein wird, welche Tätigkeiten wegfallen oder sich ändern, welche neuen entstehen. Wo Arbeit wegfallen könnte, zum Beispiel in der Motorenfertigung, muss überlegt werden, welche alternativen Produkte gefertigt werden können. Wir brauchen Zukunftspakte, ähnlich wie bei VW. Die Politik muss den Prozess flankieren, in dem sie zum Beispiel Investitionen in neue Technologien und Freistellungen von Beschäftigten für Qualifizierungen fördert. Über all das diskutieren wir und werden den nötigen Druck auf Unternehmen und Politik machen.


 

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