Metall-Tarifrunde: Interview mit Helga Schwitzer zum Arbeitge...
Arbeitgeber haben Chance in der ersten Halbzeit verspielt

Am 19. April präsentierten die Metall-Arbeitgeber in Bayern und in Baden-Württemberg ein erstes Angebot. In dieser Woche gehen die Verhandlungen in der zweiten Runde weiter. Die IG Metall fordert 5,5 Prozent mehr Geld für zwölf Monate. Wie die IG Metall das Angebot einschätzt, darüber sprachen ...

22. April 201322. 4. 2013


... wir mit Helga Schwitzer, das für Tarif zuständige Vorstandsmitglied.

Helga, die Metall-Arbeitgeber haben ein erstes Angebot vorgelegt. Sie bieten 2,3 Prozent mehr an für eine Laufzeit von 13 Monaten. Was ist der Haken?

Von der Höhe her ist das Angebot völlig inakzeptabel. Das ist ein Taschenspielertrick: Am Anfang zwei Nullmonate – da ist das Angebot in Wirklichkeit mickrige 1,9 Prozent. Die Reallöhne werden damit gesenkt. Unsere Kolleginnen und Kollegen haben mehr verdient. Aber auch wenn das Angebot viel zu niedrig ist: Es ist schon bemerkenswert, dass die Arbeitgeber nun doch überschaubare Zeiträume zum Maßstab für die Laufzeit nehmen. Auch die vorab geforderten Optionen zur Differenzierung spielen im Angebot keine Rolle mehr. Auch hier ist bei den Arbeitgebern offenbar Vernunft eingekehrt. Wir nehmen sie beim Wort: Damit sind diese Themen für die IG Metall in der Tarifrunde 2013 abgehakt.

Die Arbeitgeber verweisen darauf, dass sich die wirtschaftlichen Aussichten für 2013 verschlechtern und ein hoher Tarifabschluss Arbeitsplätze kosten könnte. Einige Betriebe hätten mit sinkenden Aufträgen und Umsätzen zu kämpfen. Können die Betriebe eine Lohnerhöhung überhaupt verkraften?

Eindeutig ja: Wir fordern 5,5 Prozent mehr Geld und die Unternehmen können das auch bezahlen. Sie haben im vergangenen Jahr ausgezeichnet verdient. Und auch in diesem Jahr gibt es für die allermeisten Betriebe keinen Grund zum Pessimismus. Hätten wir uns nur an der stärkeren Hälfte der Unternehmen orientiert, wäre die Forderung deutlich höher ausgefallen. Deshalb benötigen wir auch keine Differenzierungsregelungen. Unsere Forderung überfordert niemanden, im Gegenteil. Der Exportmotor brummt. Jetzt brauchen wir mehr Geld, um ordentlich Gas zu geben bei der Binnennachfrage. Dann können auch die Betriebe vom Aufschwung profitieren, die momentan nicht so gut aufgestellt sind. Ein Plus für uns ist ein Plus für alle.

In diesem Jahr gab es in anderen Branchen bereits schon die ersten Abschlüsse: In der Stahlindustrie steigen die Entgelte um drei Prozent, in der Baubranche um 3,2 Prozent und im öffentlichen Dienst um 5,6 Prozent auf zwei Jahre. Wäre eines der Ergebnisse ein Maßstab für die Metall- und Elektrobranche?

Die Voraussetzungen sind in all diesen Branchen so unterschiedlich wie die Ergebnisse. Klar ist, dass wir in der Metall- und Elektroindustrie noch nicht am Ziel sind. Es bleibt eine tiefe Kluft zwischen dem Arbeitgeber-Angebot und unserer Forderung. Während die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie über 50 Milliarden Euro Profite in der laufenden Bilanzperiode ausweisen, sollen die 3,7 Millionen Beschäftigten der Branche keinen realen Lohnzuwachs haben. Das passt nicht zusammen. Und im Übrigen auch gar nicht zu den Abschlüssen in anderen Branchen.

In dieser Woche folgen in den anderen Tarifgebieten die zweiten Verhandlungsrunden. Ist dort mit dem gleichen Angebot zu rechnen oder könnte es Abweichungen geben?

Die Arbeitgeber haben auch in der Vergangenheit eine sehr einheitliche Vorgehensweise gewählt. Es würde mich wundern, wenn das jetzt anders wäre. Am Ende wollen beide Seiten einen Tarifabschluss, der auf die jeweils anderen Tarifbezirke übertragen werden kann. An einem tarifpolitischen Flickenteppich haben letztlich auch die Unternehmen kein Interesse.

Am 30. April enden die Entgelt-Tarifverträge und damit auch die Friedenspflicht. Wenn IG Metall und Arbeitgeber sich bis dahin nicht einigen, sind Warnstreiks möglich. Besteht die Chance, dass es ohne Warnstreiks eine Einigung gibt?

Die Arbeitgeber drängen auf einen schnellen Abschluss. Mit ihrem Angebot haben sie jedoch die Chance in der ersten Halbzeit verspielt. Sie brauchen anscheinend mehr Druck in den Betrieben – den werden sie bekommen. Sie selbst tragen dafür die Verantwortung, wenn ab 2. Mai die Beschäftigten ihren Tarifforderungen mit massiven Warnstreiks Nachdruck verleihen. Schon jetzt gab’s tolle Aktionen und ordentlich Begleitmusik zu den Verhandlungen: Die Stimmung ist gut – da ist noch einiges mehr zu erwarten. Verteilungsfragen sind und bleiben Machtfragen. Wir sind bereit, diesen Konflikt zu führen. Es geht um ein Mehr an Gerechtigkeit durch faire Beteiligung der Beschäftigten.
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