Krise im Schiffbau: deutsche Werften funken SOS
Türme im Meer

Sechs deutsche Werften sind schon insolvent, andere kämpfen ums Überleben. Umwelttechnologien könnten dem Schiffbau neuen Schwung bringen. Zum Beispiel Windkraftwerke.

31. Mai 201031. 5. 2010


Es ist still auf der Werft am Zungenkai. Nur ein einsamer Radler kurvt zwischen den Hallen: Alfred Rüst ist Vorarbeiter auf der Korvette. Rüst arbeitet Restaufträge ab; sie sorgen noch bis Sommer 2012 für Arbeit. Viele seiner Kollegen bei den Nordseewerken sind in Kurzarbeit. Die über 100 Jahre alte Werft war lange der große Arbeitgeber in Emden. Noch in den 1960er-Jahren beschäftigte sie über 6000 Menschen. In Zukunft bleiben weniger als 1000. Und sie bauen keine Container-, Marineschiffe und U-Boote mehr, sondern formen und schweißen Teile für Offshore-Windanlagen, also Windparks auf hoher See, zum Beispiel Türme.

Windenergie hat Zukunftsperspektiven
Im März hat die rheinland-pfälzische SIAG, eine Zulieferfirma der Windenergiebranche, die Werft gekauft. Vorher hatte sie zu Thyssen-Krupp Marine Systems gehört. „Wir sind froh, dass wir die Option Windkraft jetzt haben“, sagt Erwin Heinks, der Betriebsratsvorsitzende. Schon früher hatte der Betriebsrat vorgeschlagen, als zweites Standbein in den Offshore-Markt einzusteigen. „Damals sind wir damit bei der Geschäftsleitung auf taube Ohren gestoßen.“ Jetzt bereitet die SIAG die Umbaumaßnahmen für die künftige Fertigung der Windenergie-Komponenten vor.

„Wenn SIAG nicht gekommen wäre, wäre der Standort bald geschlossen worden und wir hätten Massenentlassungen“, ist Wilfried Alberts von der Emder IG Metall überzeugt. Komponentenbau für Windenergie sei ein industrielles Konzept mit Zukunftsperspektiven. In der Nord- und Ostsee sind über 170 Windparks geplant, mit über 21 000 Anlagen.

Sicherheitshalber haben Betriebsrat und IG Metall der neuen Eigentümerin und Thyssen-Krupp einen „Zukunftsvertrag“ abgetrotzt, an dem auch das Land Niedersachsen beteiligt war. Darin verpflichtet sich die SIAG, die Schiffbau-Kompetenz in Emden zu erhalten – für den Fall, dass Schiffe mal wieder besser laufen.

„Traumschiffe“ laufen noch gut
Die 18 deutschen Werften haben ein schlimmes Jahr hinter sich. Es gilt bei vielen als Schicksalsjahr. In der Krise haben die Reeder nicht nur kaum neue Schiffe bestellt, sondern 60 Schiffe, die schon in Auftrag gegeben waren, wurden wieder abbestellt. Sechs Werften gingen in Insolvenz. Von den rund 20 000 Beschäftigten, die vor zehn Jahren noch Schiffe bauten, sind nur noch 17 500 übrig. Wer wie die Meyer-Werft in Papenburg „Traumschiffe“ baut, steht gut da. Auch Luxus-Yachten lassen sich noch gut verkaufen – die Krise hat eben nicht jeden gleich getroffen. Probleme machen Container-Schiffe. Bei ihnen konnten die Europäer schon vor der Krise mit den Dumpingpreisen in Südkorea, China und Bangladesh nicht mehr mithalten.

Jutta Blankau, die Bezirksleiterin der IG Metall Küste, sieht nur eine Überlebenschance für die Werften, wenn sie sich auf Offshore-Windenergie und Meerestechnik konzentrieren, auf schadstoffarme und energieeffiziente Schiffe und auf Spezialschiffe. Angesichts „milliardenschwerer staatlicher Subventionsprogramme“ in China und Südkorea fordern die Gewerkschaften von Brüssel eine europäische Strategie, um die Arbeitsplätze im Schiffbau zu retten. Sie sollen vor allem Innovationen in Umwelttechnologien fördern.
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