Autohersteller und Zulieferer: Geschäftsmodell Werkvertrag
Werkverträge – Ungleiche unter Gleichen

Sie übernehmen Jobs, die zum Kerngeschäft der Autohersteller gehören: Entwicklungsdienstleister, Kontraktlogistiker, Facility-Management-Firmen. Hand in Hand arbeiten ihre Mitarbeiter mit den Stammbeschäftigten – allerdings zu schlechteren Konditionen. Werkverträge sind zum Geschäftsmodell geworden.

18. Juni 201518. 6. 2015


In den letzten beiden Jahren ging es steil bergauf. Rund 800 000 Menschen beschäftigen Zuliefererbetriebe in ihren deutschen Werken. Das ist der höchste Stand seit 25 Jahren. „Aber es wäre blauäugig zu glauben, dass dies ohne Zutun endlos so weiter geht“, sagt Jörg Hofmann, Zweiter IG Metall-Vorsitzender, im Gespräch mit der „Leipziger Volkszeitung“. Die gesamte Branche befindet sich mitten im Umbruch und nach Einschätzung von Hofmann tun die Unternehmen viel zu wenig, um in Zukunft fit zu sein für die neue Technik und Industrie 4.0.

Der Strukturwandel der Autobranche und dessen Herausforderungen, zu dem auch das „Geschäftsmodell Werkvertrag“ zählt, ist derzeit Diskussionsthema unter IG Metall-Betriebsräten von Herstellern und Zulieferern in Leipzig. Der Veranstaltungsort ist nicht zufällig gewählt. „Leipzig ist heute neben Wolfsburg, Stuttgart und München der viertgrößte Automobilstandort in Deutschland – und mit Sicherheit der dynamischste“, sagt Jörg Hofmann. Die Hauptplayer sind dort BMW und Porsche. BMW hat in Leipzig die modernste Autofabrik in Deutschland. Bei der Kalkulation des ostdeutschen Standorts spielten Leiharbeit und Werkverträge von Beginn an eine zentrale Rolle. Für den bayerischen Autobauer arbeiten in Leipzig 3800 Stammarbeitnehmer, 1000 Leihbeschäftigte und 4000 Werkvertragsmitarbeiter.


Werkvertragspartner bei BMW

Ein BMW aus Leipzig etwa wird zum Großteil von Ingenieuren des Dienstleisters Aton entwickelt. Die Beschäftigten von Rudolph Automotive Logistik versorgen den Karosseriebau mit allen Rohmaterialien, bestücken und entsorgen die Presse und liefern Teile bis ans Produktionsband. Thyssen-Krupp-Mitarbeiter montieren die Vorderachsen, die von Leiharbeitern der Firma WISAG angeliefert werden. Die Firma HQM bringt Türen an und baut Motoren und Anlasser ein. Die Tachometer werden vom Dienstleister Trescal kalibriert und geeicht.

All diese Betriebe sind Werkvertragspartner von BMW und auf dem Werksgelände angesiedelt. Für die IG Metall handelt es sich bei den Firmen um produktionsnahe Dienstleister, die Arbeiten erledigen, die zum Produktionsprozess eines Autoherstellers gehören. Für die betroffenen Beschäftigten konnte sie jetzt Tarifverträge durchsetzen, die ihnen deutliche Einkommenszuwächse und zum Teil kürzere Arbeitszeiten bringen. Vorher wurden sie nach den schlechteren Logistik-Tarifen bezahlt.

 

Grafik: Anteil der Stammbeschäftigten Leiharbeiter und Werkverträge in der Automobilindustrie

 

Über ein Drittel der Arbeit erledigen in der Automobilproduktion Fremdfirmen, in der Montage sind es 28 Prozent und in Forschung, Entwicklung und Engineering fast ein Fünftel. In erster Linie sind es Kontraktlogistiker, Facility-Management-Firmen und Entwicklungsdienstleister, die per Werkvertrag Arbeiten aus dem Kerngeschäft der Hersteller übernehmen. Oft arbeiten die Dienstleistungsmitarbeiter Hand in Hand mit Stammbeschäftigten, erledigen die gleichen Aufgaben – jedoch zu deutlich schlechteren Bedingungen.


Mittendrin und nicht dabei

Jörg Hofmann wertet die Tarifverträge für die Werkvertragsunternehmen auf dem BMW-Gelände als eine Vorreiterposition. Die IG Metall will erreichen, dass Dienstleister, die einen wesentlichen Teil der industriellen Wertschöpfung für BMW und Porsche in Leipzig erbringen, einer Tarifbindung mit der IG Metall unterliegen. „Es kann nicht sein, dass die Autokonzerne Werkverträge vergeben, die Teil der Wertschöpfung der Autoindustrie sind und deren Beschäftigte oft sogar im Werk mit den Kollegen der Autofirmen Hand in Hand arbeiten, diese Kollegen aber deutlich schlechter bezahlt werden. Dagegen gehen wir vor“, so der Zweite IG Metall-Vorsitzende.

Generell gibt es bei Werkverträgen vieles zu verbessern. Erstes Ziel der IG Metall: Die Arbeit im Betrieb halten. Nur wo das nicht gelingt, will sie die Konditionen für die Beschäftigten in den Werkvertragsfirmen fair gestalten. Damit repariert sie aus Sicht von Jörg Hofmann einen Webfehler in Unternehmensstrategien, die auf kurzfristigen Profit und nicht auf die langfristige Sicherung des Know-hows von Kernkompetenzen setzen.

„Die Arbeitgeber sollen nicht glauben, sie könnten durch Outsourcing widerstandlos Löhne und Arbeitsbedingungen absenken und sich der Zuständigkeit der IG Metall entziehen“, sagt Hofmann. Das Recht auf faire Bedingungen endet für die IG Metall nicht bei den Herstellern. Es gilt für die gesamte Wertschöpfungskette entlang ihrer Industrien. Das heißt: gleiche Rechte, Mitbestimmung und Tarifverträge für die Beschäftigten in Werkvertragsfirmen.

Bei BMW und Porsche in Leipzig konnte die IG Metall mit den Beschäftigten einen guten Weg einschlagen. Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Tarifeinheit bietet die IG Metall den Autoherstellern, Zulieferern und industriellen Dienstleistern einen tariflichen Ordnungsrahmen und damit langfristige Sicherheit und Verlässlichkeit an. Wenn Hersteller und Zulieferer partnerschaftlich zusammenarbeiten, haben sie eine Chance, den Strukturwandel zu schaffen.

Leiharbeit & Werkverträge
Gute Arbeit für alle

Industrieunternehmen gliedern immer mehr Arbeit aus, in Leiharbeit – oder an Industrienahe Dienstleister. Die Beschäftigten haben meist schlechtere Löhne und Arbeitsbedingungen als die Stammbeschäftigten. Wir wollen gute Arbeitsbedingungen auf dem Werksgelände durchsetzen – mit unserer Kampagne „Gute Arbeit für alle“.

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